(ots) - Die Welt ist so ungerecht. In Angela Merkels
erster Großer Koalition von 2005 bis 2009 wetterte man in der SPD,
die Union mache es sich auf dem Sonnendeck bequem, während die
Genossen unter Deck im Maschinenraum schuften würden. Auch in der
jetzigen schwarz-roten Regierung schieben die Sozialdemokraten Frust.
Zwar haben sie den Mindestlohn, Frauenquote oder Mietpreisbremse
durchgesetzt, die mehr oder weniger Wirkung entfalten. Und zuletzt
sogar die Ehe für alle. Doch gelohnt wird es ihnen kaum. Die SPD
dümpelt auch unter dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz, nach dessen
kurzem Höhenflug, weit hinter der Union mit der alles überstrahlenden
Kanzlerin Angela Merkel. Doch es ist noch viel zu früh, um von einer
Vorentscheidung für die Union sprechen zu können. Der Wahlkampf hat
noch gar nicht richtig begonnen. Viele Wähler und Wählerinnen denken
eher an den bevorstehenden Urlaub, denn an Politik, eher an Mallorca
und Sylt, denn an Merkel und Schulz. Weit über ein Drittel der Wähler
hat in Umfragen zudem noch keine Präferenz für eine der Parteien
erkennen lassen. Und schließlich wissen wir spätestens seit
Brexit-Votum und US-Präsidentenwahl wie unzuverlässig Umfragen sein
können. Und schließlich holte eine "Wahlkampflokomotive" wie Gerhard
Schröder etwa beim Urnengang 2005 im Endspurt fast 15 Prozentpunkte
gegen die damals uneinholbar scheinende Oppositionsführerin Merkel
auf. Kann der mit inzwischen nicht mehr so heftig mit der
Gerechtigkeits-Fahne wedelnde Schulz das Blatt doch noch wenden, den
Trend gegen sich und die SPD umkehren? Das ist verdammt schwer, doch
unmöglich ist es nicht. Offenbar hat Schulz eingesehen, dass er mit
der simplen Losung von "Mehr Zeit für Gerechtigkeit" allein, das
Kanzleramt nicht wird entern können. Das umfängliche Wahlprogramm der
Genossen ist zudem auch eher etwas für parteipolitische Insider denn
für Normalbürger. Gestern holte Schulz mit seinem "Zukunftsplan" zu
einer politisch-inhaltlichen Attacke gegen Merkel aus. Er will die
CDU-Chefin, die derzeit als eine Art Wohlfühl-Kanzlerin in
Ferienorten an Nord- und Ostsee sowie in Sommerinterviews
Soft-Wahlkampf betreibt, thematisch packen. Der große Unterschied
zwischen Regierungschefin und Herausforderer besteht darin, dass
Merkel auf den zufriedenen Bauch abzielt, die gute wirtschaftliche
Lage für sich reklamiert und höchstens ein paar kosmetische Reformen
unternehmen will. Während auf der anderen Seite der Malocher aus
Würselen ein Feuerwerk an neuen Ideen abbrennt, von der
"Mindestdrehzahl" bei Investitionen - auf so was muss man erst mal
kommen -, einer Innovations- sowie einer Bildungsallianz oder einem
Erwerbskonto und einem digitalen Deutschlandportal. So viele schöne
Ãœberschriften waren noch nie. Die Frage, wie das alles genau
ausgestaltet und ausfinanziert werden soll, überfliegt Schulz
geflissentlich. Freilich bleibt auch die Umfragekönigin Merkel blass,
wenn es konkret wird. Das Unionsprogramm ist weichgespült, wimmelt
nur so von Prüfaufträgen und wolkigen Versprechungen. Von der
Familienförderung, möglichen Steuersenkungen bis hin zum skandalös
verschleppten Abbau des Soli. Ãœber ihre weitere Europapolitik will
sich die Kanzlerin erst nach der Wahl verbreiten und zur Integration
sowie zur Einwanderungspolitik gibt es lediglich wohlklingende
Sprechblasen. Das ist fast schon Arbeitsverweigerung oder Arroganz,
gespeist aus dem satten Umfragen-Vorsprung. Die Merkel und Co.
verlassen sich offenbar vor allem auf ihr Gewinnerthema: innere
Sicherheit. Das bewegt die Menschen nicht erst seit den Gewaltorgien
von Hamburg. Aber nun natürlich besonders. Wenn es der SPD nicht
gelingt, am Kompetenzvorsprung der Union auf diesem Feld wenigstens
etwas zu kratzen, helfen all die schönen Ankündigung im Zukunftsplan
von Schulz nicht weiter. Dann nämlich hätte auch der dritte
Kanzlerkandidat der SPD in Folge seine Zukunft bereits hinter sich.
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