(ots) - Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat im
Gespräch mit dem Magazin stern, das an diesem Donnerstag erscheint,
die türkische Regierung ungewöhnlich scharf kritisiert. "Das
Kernproblem bleibt, dass sich die Türkei von der Demokratie
entfernt", erklärt Gabriel gegenüber stern-Chefredakteur Christian
Krug, "und dass dort Unschuldige in Haft sitzen. Darunter neun
deutsche Staatsbürger." Die wiederholte Ankündigung der Türkei, die
Todesstrafe wieder einzuführen, so Gabriel weiter, sei "das Ende der
bisherigen Beziehungen zwischen Europa und der Türkei. Das ist völlig
eindeutig." Derzeit sei zu sehen, so der Außenminister im stern,
"dass die türkische Regierung auf wirtschaftlichen Druck reagiert".
Oft brauche es diesen Druck, sagt Gabriel, "und das freut mich nicht.
Mir blutet das Herz dabei." Denn die Reisehinweise des
Außenministeriums für die Türkei träfen vor allem die Hotelbetreiber
und Strandbudenbesitzer im Westen des Landes. Das seien "die
deutschfreundlichsten Türken", die es gebe.
Angesichts der Flüchtlingskrise, die er für "eine der
entscheidenden Fragen der kommenden Monate und vermutlich Jahre"
hält, kristisierte der Außenminister die mangelnde europäische
Solidarität in dieser Frage. "Europa ist keine Zugewinngemeinschaft,
in der man nur dann mitmacht, wenn man Geld bekommt", so Gabriel
gegenüber dem stern. "Man muss die belohnen, die sich um Flüchtlinge
kümmern, und denen Geld streichen, die sich der europäischen
Solidarität entziehen. Dennoch sei Europa "Deutschlands Zukunft",
erklärt der Außenminister und Vizekanzler, "mit all den
Veränderungen, die nötig sind. Und der nationalkonservative Teil der
CDU/CSU will diese Veränderung nicht, sondern setzt auf Deutschland
als Vormund der Europäer." Vor allem wegen der Unstimmigkeiten mit
dem nationalkonservativen Teil der Union hält Gabriel hält das Ende
des schwarz-roten Regierungsbündnisses nach der Bundestagswahl für
unausweichlich. "Deshalb ist es gut, diese Große Koalition zu
beenden".
Nationalkonservative in der Union wie Jens Spahn wollte "den
Rüstungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben und
dafür die Sozialausgaben kürzen", kritisiert Gabriel. "Das ist mit
der SPD nicht zu machen. Deshalb werden wir uns trennen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel greift Gabriel in dem Gespräch
persönlich an: "Angela Merkel war und ist immer so lange eine gute
Kanzlerin, solange die SPD auf sie aufpasst", erklärt er, "es ist nur
auf die Dauer etwas anstrengend, immer auf die Kanzlerin aufzupassen.
Ich kann die SPD verstehen, dass sie das nicht mehr will." Im Verlauf
des Gesprächs, das während seines Familienurlaubs auf Sylt stattfand,
spricht Gabriel auch über seine seine persönliche Zukunft. Er habe
"keine Existenzängste" und könne sich auch vorstellen, nach der Wahl
am 24. September im Bundestag in einer der hinteren Reihen Platz zu
nehmen: "Das höchste demokratische Amt ist das des frei gewählten
Abgeordneten", so Gabriel, "es ist wichtiger als jedes Regierungsamt
und auch wichtiger als das Amt des Bundespräsidenten."
Dennoch würde ihm der Abschied vom Posten des Außenministers nicht
leicht fallen, räumt er gegenüber stern-Chefredakteur Christian Krug
ein: "Glauben Sie mir, dieses Amt gibt niemand gerne auf."
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