(ots) - Wer mehr von dem Diesel-Gipfel erwartet hatte,
lebt in einem Traumland, in dem die Politik die Bedingungen für die
Industrie diktiert, ohne besondere Rücksichtnahme. Das geschieht im
Industrieland Deutschland ohnehin selten - siehe Kohleverstromung,
Agrarwirtschaft oder Chemie. Und in der Automobilbranche erst recht
nicht. Unter diesen Umständen konnte gestern nicht mehr herauskommen
als herausgekommen ist. Schon gar nicht mitten im Wahlkampf. Mach mir
den Kretschmann, so lässt sich das Ergebnis des Treffens
zusammenfassen. Man schützt die Bürger. Aber doch nicht so, dass es
der Industrie wirklich weh tut. Immerhin, "mach mir den Dobrindt" war
nicht das Ergebnis. Das hätte geheißen: beide Augen zu. Doch die
Hersteller haben es mit der Mogelei so übertrieben, dass dieser Weg
versperrt war. Es kommen nun Software-Updates auf Kosten der
Konzerne, eine billige Variante, die den Stickoxidausstoß etwas
verringert, das Problem aber nicht substanziell löst. Das hätte nur
der verpflichtende Umbau zu Euro-6-Fahrzeugen erreicht. Der Rest der
Beschlüsse ist Kosmetik. Doch wird sich dieser Ausgang des Gipfels
für die Firmen noch als ein Pyrrhussieg erweisen. Die drohenden
Fahrverbote sind damit nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Wenn die
Stickoxidwerte nicht bald merklich sinken, werden die Gerichte
Anwohnerklagen recht geben und Straßen schließen. Und dann kommt das
ganze Dieselthema zurück. Um die Wiederverkaufswerte der Fahrzeuge
und die Aktienkurse für den Moment zu stabilisieren, mögen die
gestrigen Beschlüsse reichen. Aber es wird gerade eine große Chance
vertan. Die zu einer umfassenden Verkehrswende. Nicht mit einem Ruck.
Aber im Grundsatz. Man spürt, dass die Zeit dafür reif ist. Hinzu
kommt: Das alte politisch-industrielle Kartell, das diese Wende
bisher blockiert, hat gerade viel Legitimation eingebüßt. Eine
einmalige Gelegenheit. Das sind die gleichen Voraussetzungen wie bei
der Energiewende nach Fukushima. Zum einen geht es um die Ablösung
des Verbrennungsmotors, dessen Tage gezählt sind. Die Technologie
dafür ist da, ob Elektro, Brennstoffzelle oder Hybrid. Sie wartet auf
starke Impulse, sei es durch Förderung, sei es durch (sanften) Zwang.
Das wäre eine vorausschauende Industriepolitik. Es geht zugleich um
eine neue Mobilität insgesamt. Die Bürger wissen oder ahnen, dass
Megastaus, Lärm und immer breitere Straßen nicht die Zukunft sein
können, egal womit die Motoren laufen. Notwendig sind vernetzte
Strukturen aus Individual- und öffentlichem Verkehr, aus
motorisierter und nicht motorisierter Fortbewegung. Also ein neues
Denken, dem die Rahmenbedingungen entsprechen müssen, von den
richtigen steuerlichen Anreizen bis zu Grenzwerten, von der
Straßenverkehrsordnung bis zu Investitionsprogrammen. Aber Zukunft
stand verkehrspolitisch noch nie auf der To-Do-Liste der scheidenden
Bundesregierung. Auch nicht gestern beim Diesel-Gipfel.
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