(ots) - Wahlkampf. Ein mächtiges Wort. Ein Ringen
stellt man sich da vor, Dramatik, Leidenschaft, Polemik, Finesse. Es
geht um die Zukunft. Um die großen Linien. Um Personen. Eine
politische Entscheidungsschlacht. Nichts von all dem geschieht
derzeit in Deutschland. Dieser Wahlkampf trottet dahin, wie eine
Kuhherde beim Almabtrieb. Null Aufregung, das Ziel ist vertraut, der
Weg auch. Immer dasselbe, nichts ist anders. Dabei ist das Volk
durchaus politisiert. In der Reaktion auf den Flüchtlingsstrom war es
sogar elektrisiert. Da wurden Grundsatzdebatten ebenso geführt wie
populistische Kampagnen entworfen. Es ging um Werte, Moral und Angst.
Das ist nicht verschwunden, das lebt noch in den Umfragezahlen der
AfD. Und im Engagement vieler Bürger für Migranten. Aber es ist schon
wieder unglaublich gedämpft. Brexit, Trump, Erdogan, Putin. Auch die
Bedrohung des europäischen Modells hat viele Menschen aufgerüttelt.
Viele wollen sich deshalb wieder einmischen, wollten sich engagieren
gegen die aufkommende nationalistische Blödheit. Aber auch diese
Emotion schläft jetzt offenbar den wohlverdienten
Urlaubserholungsschlaf. Man kann nicht sagen, dass Angela Merkel
diesen müden Wahlkampf mit ihrer Umarmungsstrategie allein zu
verantworten hat. Sie vermeidet zwar jede Aufregung, Polarisierung,
irgendeine Bewegung, die ihren Vorsprung gefährden könnte. Zuletzt
mit ihrem Einlenken bei der Ehe für alle, das den anderen Parteien
wieder ein Thema wegnahm. Weiter so, ist ihre Losung. Doch kann man
ihr das nicht vorwerfen, das ist legitim. Es ist nicht leicht, einen
Pudding an die Wand zu nageln. Die SPD wiederum braucht die
Zuspitzung, doch sie gelingt ihr nicht. Weil ihre Forderungen zu
wenig schroff sind? Diese Debatte wird intern kommen, wenn diese Wahl
wieder einmal schief gehen sollte. Selbst die AfD kämpft gegen die um
sich greifende Lethargie. Das Aufregendste, was sie derzeit bietet,
ist ein Plakat, auf dem Frauke Petry ihr Baby zeigt. Grüne und Linke
sind offenbar zufrieden, wenn sie ihre bisherigen Wähler wieder
mobilisieren können. Einen Machtanspruch strahlen beide nicht aus.
Nur bei der FDP spürt man so etwas wie Aufbruch. Aber das ist eher
ein Aufbäumen: Jetzt zurück in den Bundestag oder dauerhaft ab in die
Versenkung. Bei der FDP geht es wirklich ums Ganze; entsprechend
rührig ist sie. Die Spannungslosigkeit dieses Wahlkampfes liegt nicht
nur an den Parteien, oder an der Unwahrscheinlichkeit eines
machtpolitischen Wechsels. Sie liegt auch an den Wählern selbst. An
der Selbstgenügsamkeit vieler Bürger. Gutes Wachstum, niedrige
Arbeitslosenzahlen, geringe Inflation, sicheres Einkommen, sichere
(eigene) Rente. Das reicht vielen. Aber was ist mit der Zukunft, der
Bildung, der Demografie, der Digitalisierung, den Jobs von morgen,
der internationalen Konkurrenz, dem Klimawandel, den Krisen? Viele
stellen sich diese Fragen gar nicht. Sie überblicken ihren Garten,
ihren Ort, ihre Region. Das war's. Wer sich aber zufrieden
zurücklehnt, fällt bald hintenüber, wer nur "Weiter so" sagt, kommt
nicht voran. Das gilt für jeden Einzelnen, es gilt auch für Nationen.
Die Demokratie braucht politisch mündige Bürger, solche, die sich
informieren, interessieren, die bereit sind, zu streiten um die
richtige Lösung. Die Demokratie braucht einen echten Wahlkampf. Noch
sind fast zwei Monate Zeit.
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