(ots) - Es ist normal, wenn zwei Minister nicht ganz
einer Meinung sind. Zumal wenn der eine, Verkehrsminister Alexander
Dobrindt (CSU), sich eher der Autoindustrie verpflichtet fühlt, und
die andere, Barbara Hendricks (SPD), schon qua Amt der Umwelt mehr
Aufmerksamkeit widmet. Es ist auch verständlich, dass ein so
fundamentales, langfristig entstandenes Problem wie die systematisch
überhöhten Stickoxid-Ausstöße von Diesel-Motoren nicht von jetzt auf
gleich lösbar ist, zumal dann nicht, wenn man auch noch die
Arbeitsplätze bei den Herstellern im Auge hat. Nicht normal, sondern
regelrecht erbärmlich ist es aber, wenn eine Regierung im Angesicht
der Nöte von Millionen Diesel-Autobesitzern, die um den Wert ihres
Besitzes fürchten, und von vielen Millionen Stadtbewohnern, die von
den Abgasen betroffen sind, nicht ernsthaft und entschlossen
reagiert, sondern nur taktiert. Und neuerdings sogar Wahlkampf mit
dem Thema betreibt. Nichts anderes ist es, wenn Ministerin Hendricks
drei Wochen nach dem großen Dieselgipfel schon Berechnungen
präsentiert, die belegen, dass dessen Ergebnisse so gut wie gar
nichts bringen werden. Nicht, dass Hendricks Zahlen nicht stimmen,
und nicht, dass ihre Aufforderung zu technischen Nachrüstungen nicht
richtig wäre: Nur hätte sie das auch vor drei Wochen schon sagen
können, ja müssen. Lieber hätte sie den Gipfel platzen lassen sollen,
als seine Scheinergebnisse hinzunehmen. So aber kommt alles wieder
ins Gespräch: Wertverluste, Fahrverbote in mindestens 70 deutschen
Städten und neuerdings sogar noch der Hinweis, dass selbst die
Anschaffung eines Euro-6-Fahrzeuges keine Lösung bringt. Jetzt
herrscht wieder maximale Verunsicherung bei allen Betroffenen, von
den Anwohnern, über die Halter bis zu den Arbeitnehmern in den
betroffenen Werken. Und warum tut der Verkehrsminister weiter so, als
reiche das aus, was man beschlossen hat, wider besseres Wissen?
Ebenso ist es nicht normal, wenn die Industrie, die Verursacherin des
Ganzen, sich nicht ernsthaft an der Lösung beteiligt, sondern glaubt,
mit Scheinlösungen wie billigen Software-Updates davonzukommen. Oder
mit Umtauschprämien, die nur dazu dienen, den eigenen Fuhrpark noch
rasch zu verramschen - und die sogar noch teilweise mit den üblichen
Rabatten verrechnet werden. Hier haben welche nicht verstanden, wie
tief das Problem geht. Das Spiel um den Diesel ist nicht beendet, im
Gegenteil. Es erreicht gerade sein nächstes Level und wird, wenn es
so weiter geht, nach der Vertrauenskrise zu Made in Germany auch noch
zu einer Vertrauenskrise in den Staat. Gilt in Deutschland das Primat
der Politik oder das der Bosse? Werden die Bürger gar von Industrie
und Politik gemeinsam veräppelt? Das sind die Fragen, die sich
inzwischen stellen. Diese Regierung ist im Amt, bis die neue
installiert ist. Das wird irgendwann im November oder Dezember sein,
wenn die Koalitionsverhandlungen beendet sind. Wahlkampf hin oder her
- bis dahin hat die große Koalition die verdammte Pflicht und
Schuldigkeit, den Bürgern nicht Probleme aufzutischen, sondern sie zu
lösen. Und wenn die beiden zerstrittenen Minister dazu nicht in der
Lage sind, dann ist eben die Kanzlerin gefordert. Dafür hat sie ihre
Richtlinienkompetenz. Angela Merkel aber mimt bisher bloß die
verständnisvoll Besorgte - ohne ihren Wahlkampf zu unterbrechen. Sie
sollte noch vor dem 24. September Klarheit schaffen. Damit jeder
Autobesitzer weiß, woran er ist. Aber auch jeder Wähler.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell