(ots) - Ab heute verbleiben den Parteien bis zur
Öffnung der Wahllokale rund 300 Stunden, um Wähler von sich zu
überzeugen. Der Endspurt vollzieht sich in unwägbaren politischen
Zeiten. Größte Unbekannte bleibt das Abschneiden der AfD, das die
Meinungsforschungsinstitute trotz dicht getakteter Umfragen nicht mit
letzter Gewissheit vorauszusagen wagen. Ein Ausschlag nach oben würde
nicht überraschen. Denn bei der AfD scheinen die üblichen
Gesetzmäßigkeiten des politischen Betriebs außer Kraft gesetzt.
Verbale Entgleisungen und Skandale führender Repräsentanten bringen
den harten Kern der Anhänger offenkundig nicht zum Umdenken. Im
Gegenteil. Sie bestärken sie in der Einschätzung, dass den
Skandalfiguren ihrer Partei - von Alexander Gauland über Björn Höcke
bis Alice Weidel - von der politischen Konkurrenz und den Medien übel
mitgespielt wird. Ein skurriler Effekt, der schon 2016 im
US-Wahlkampf im Trump-Lager zu beobachten war. Dort ist inzwischen
ein kleiner Teil der Anhänger erwacht. Ein bitterer Lernprozess, der
hierzulande erst bevorsteht. Ignorieren oder attackieren? Den
etablierten Parteien ist es bislang kaum gelungen, das Phänomen AfD
in den Griff zu bekommen. Das gilt selbst für die CSU, auch wenn sich
die bayerische Regierungspartei in Umfragen im Vergleich am
stabilsten hält. Dennoch bringt es die AfD im Freistaat in Umfragen
auf acht Prozent. Der Straußsche Lehrsatz, wonach es rechts von der
CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben darf, ist de facto
ausgehebelt. Die AfD fischt in allen Lagern. Bangen müssen SPD und
Grüne: Ein Alarmzeichen ist, dass sich aktuell über 40 Prozent der
Anhänger beider Parteien laut neuem Bayerntrend nicht sicher sind, ob
sie dieses Mal ihrer politischen Heimat treu bleiben. SPD und Grüne
laufen damit Gefahr, Kollateralschäden einer AfD zu werden, der es
gelingt, Unzufriedene zu blenden. Entzaubern wird sich die AfD über
kurz oder lang aber selbst. Der voraussichtliche Einzug in den
Bundestag bringt die Partei in den nächsten vier Jahren nonstop ins
Blickfeld. Jede Ungeheuerlichkeit und jeder Fehlgriff wird
dokumentiert, und damit Verschwörungstheorien der Nährboden entzogen.
Es bräuchte beim eigenen Klientel schon notorisches Blindstellen, um
auf Dauer den Fakt zu ignorieren: Wer AfD wählt, bekommt, was
offensichtlich zu erwarten ist: Eine Kombi aus Fremdenfeindlichkeit,
kruden Ideen zum Klimawandel und chronischem Beleidigtsein. Wirklich
niemand kann der AfD vorwerfen, dass sie damit hinter dem Berg hält.
Die Uhr tickt. Zu einem früheren Besinnen wäre bis 24. September
Zeit. Viel Hoffnung besteht leider nicht. Vielleicht gehen den
AfD-Anhängern aber bis zur Landtagswahl die Augen auf. Eine
Entwicklung, die die etablierten Volksparteien mit entsprechender
Politik beschleunigen können. Die AfD, so wenig sie eine Alternative
für Deutschland ist, fungiert als Sammelbecken von teils zu Recht von
der Politik Enttäuschten. Zu den drängendsten Fragen, das ist bei
allen Wahlkampfterminen in diesen Tagen zu spüren, zählt nicht nur
die Asylpolitik. Mindestens genauso stark bewegt die Zukunft der
Rente, gerade in Ostbayern, wo geringere Durchschnittslöhne in den
vergangenen Jahrzehnten aufs Rentenniveau durchschlagen. Die
Digitalisierung mit all ihren Folgen für die Arbeitswelt ist weiteres
Megathema. Die Macht der Rechtspopulisten schrumpft, wenn die
Etablierten für diese zentrale Probleme ein besseres Gespür
entwickeln - und gute Lösungen durchsetzen.
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