(ots) - Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die
Präsenz der Bundeswehr im Baltikum kritisiert. Es handele sich zwar
um keine direkte Bedrohung Russlands, aber es sei "ein vollkommen
falsches Signal, wenn deutsche Soldaten an der russischen Grenze
stationiert sind, weil dies ein Gespür für unsere gemeinsame
Geschichte vermissen lässt". Schröder äußerte sich in einem
ausführlichen Gespräch mit der Buchautorin Katja Gloger, das der
stern in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe abdruckt. Im
Rahmen der Nato-Abschreckungsstrategie "Enhanced Forward Presence"
sind zurzeit 450 Bundeswehrsoldaten in Litauen. In Russland und
Weißrussland findet in dieser Woche das Großmanöver "Sapad" statt.
Schröder, der zuletzt für sein Engagement in der russischen
Energiebranche kritisiert worden war, hält den "inzwischen negativ
besetzten" Begriff "Putin-Versteher" für "gefährlich". Man sollte
sich schon die Mühe machen, sich mit dem Gegenüber
auseinanderzusetzen. Schröder wörtlich: "Natürlich muss man Russland
und seinen Präsidenten verstehen wollen." Aus russischer Sicht bilde
die Nato einen Ring von der Türkei, durch Süd- und Mittelosteuropa
bis an die Ostsee.
Mit Blick auf die annektierte Krim warnte Schröder vor einer
drohenden Entfremdung zwischen Russland und Deutschland. "Aufgrund
unserer gemeinsamen Geschichte sind viele Russen von der deutschen
Haltung, insbesondere von der Sanktionspolitik enttäuscht." Er höre
in seinen Gesprächen immer wieder: "Wir haben Deutschland doch bei
der Wiedervereinigung geholfen." Die Krim sei seit dem 18.
Jahrhundert Teil Russlands gewesen. "Ich prophezeie, dass es keinen
russischen Präsidenten geben wird, der die Krim wieder aus Russland
ausgliedern wird", so Schröder.
Zum Thema Ostpolitik sagte Schröder: "Wir sollten die Erfolge
Willy Brandts nicht leichtfertig aufs Spiel setzen." Deutschland
solle sich "in der Betrachtung Russlands nicht an den Interessen der
USA orientieren". Die Vereinigten Staaten seien nicht an einem
starken Russland interessiert. "Aber Europa, vor allem Deutschland,
hat andere Interessen."
Schröder äußert sich in dem Gespräch auch ausführlich zu seiner
Beziehung zu Wladimir Putin: "Wir sind befreundet. Zu diesem
persönlichen Verhältnis stehe ich, und dazu werde ich auch weiter
stehen." Das habe mit menschlicher Loyalität zu tun. Aber es habe
keine politische Bedeutung, "da ich nicht mehr im Amt bin".
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