PresseKat - Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien

ID: 1537511

(ots) - Der Konflikt zwischen der katalanischen
Regionalregierung und der spanischen Zentralregierung trifft Europa
mitten in einer tiefen Krise. In Brüssel fürchtet die EU-Kommission
nichts mehr als einen Dominoeffekt: Was wäre, wenn sich Katalonien
eigenmächtig von Spanien abspalten und dabei keinen Schaden nehmen
würde? Bekämen dann nicht sofort Autonomiebewegungen in anderen
wirtschaftlich starken Regionen Auftrieb, wie etwa das
Padanien-Projekt in Norditalien? Ganz gleich, wie der Konflikt
ausgehen wird: Der Schaden, den die egoistischen Katalanen und auch
die unklug agierende spanische Regierung angerichtet haben, ist jetzt
schon so immens, dass man die Europäische Union vielleicht nicht neu,
aber anders denken sollte. Und dabei kann es nicht um eine politische
Vertiefung und mehr zentrale Entscheidungsgewalt in Brüssel gehen. In
der jüngeren Geschichte unseres Kontinents haben kluge Leute kluge
Ideen entwickelt. Im Nachhinein weiß man: Mindestens zwei dieser
Ideen wären besser umgesetzt worden. Da war 2008 Nicolas Sarkozys
Konzept einer Mittelmeer-Union, die in abgeschwächter Form als
»Union für den Mittelmeerraum« sogar noch existiert, aber eben nicht
ansatzweise so, wie es - zugegeben, aus heutiger Sicht - sinnvoll
gewesen wäre. Der damalige französische Präsident wollte die
nordafrikanischen Staaten nicht zu EU-Mitgliedern machen, sie aber
durch Abkommen so eng wie möglich an Europa binden. Auch wenn er es
nicht ausdrücklich betonte: Sarkozy dachte historisch und hatte die
Ausdehnung des Römischen Reiches im Sinn - vom Hadrianswall im Norden
bis zum Südufer des Mittelmeeres. Das »Mare Nostrum« (»Unser Meer«)
als Kultur- und Einflussraum begreifen und nicht als Namen für eine
Marine-Operation der italienischen Küstenwache benutzen. Mit einer
funktionierenden Mittelmeer-Union, die ohne Zweifel teuer und




anstrengend gewesen wäre, hätte sich die Flüchtlingskrise ganz
anders - und vor allem überhaupt - steuern lassen. Zweite gute Idee
aus vergangenen Tagen: das Europa der Regionen, bereits Ende der 60er
Jahre erdacht und Anfang dieses Jahrhunderts vom ehemaligen
bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) vorangetrieben.
Klar: Wenn ein Bayer das fordert, steckt Kalkül dahinter. Das schadet
aber nicht, wenn damit separatistische Bestrebungen verhindert werden
können. Auch wenn Spanien mit seinen abtrünnigen Basken und Katalanen
ein spezieller Fall ist, so zeigt sich doch eines: In Zeiten der
Globalisierung sind vielen Menschen ihre Identität und Heimat so
wichtig, dass sie dafür kämpfen. Und das muss nicht schlecht für
Europa sein.



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Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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Datum: 05.10.2017 - 21:30 Uhr
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