(ots) - Wenn sich die Politik manchmal fragt, warum viele
Wähler genug von ihr haben, wäre der Streit um den Begriff
"Obergrenze für Flüchtlinge" ein besonders gutes Beispiel.
Wortklauberei ersetzt Politik. Als ob es nicht egal wäre, ob die
Regierung eine Obergrenze, eine Begrenzung oder den "atmenden Deckel"
für die Aufnahme von Flüchtlingen beschließt. Was die Deutschen gerne
vor der Wahl gewusst hätten, wurde jetzt mit Verspätung nachgereicht.
Merkel und Seehofer ist dabei das Kunststück gelungen, eine Formel zu
finden, bei der sich jeder zum Sieger deuten kann. Die Kanzlerin kann
sagen, die Obergrenze ist vom Tisch. Und der CSU-Chef kann mit der
Zahl 200.000 prahlen. Aber der entscheidende Satz lautet: "Sollte das
oben genannte Ziel wider Erwarten (...) nicht eingehalten werden,
werden die Bundesregierung und der Bundestag geeignete Anpassungen
des Ziels nach unten oder oben beschließen". Heißt: Bei einer neuen
Flüchtlingswelle geht der Streit von vorne los. Deshalb ist es zu
früh für einen Abgesang auf das Grundrecht auf Asyl. Und auch die
Scharfmacher in der Flüchtlingsfrage haben keinen Grund für
Triumphgeheul. Merkel und Seehofer haben lediglich einen tiefen Riss
zugekleistert, damit die Sondierungen mit FDP und Grünen starten
können. Wie dünn die Spachtelmasse ist, werden wir in den ersten
Verhandlungsrunden von "Jamaika" sehen.
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