(ots) - Von Christoph Pepper
Um diese Entscheidung ist Bundespräsident Christian Wulff nicht zu
beneiden. Natürlich hat sich Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo
Sarrazin mit seinen gezielt provozierenden Thesen zu den Folgen der
Migration weit aus dem Fenster gehängt, zu weit für eine seriöse
Diskussion. Ihn dafür seines Amtes zu entheben, werden allerdings
nicht wenige Bürger als Abstrafung einer missliebigen Meinung
missverstehen, die unbequeme Sachverhalte zum Gegenstand öffentlicher
Diskussion gemacht hat. Diese Märtyrer-Pose hat Thilo Sarrazin nicht
verdient. Zwar mögen seine Zustandsbeschreibungen durchaus zutreffend
sein, wo sie die schweren Defizite einer viel zu lange nicht
vorhandenen, dann wenig zielgerechten Integrationspolitik offenlegen.
Doch verrennt sich seine biologistische Ursachenforschung für
offensichtliche Integrationsdefizite islamischer Migrantengruppen im
wissenschaftlichen und auch politischen Abseits, schon wegen ihrer
unhaltbaren Verallgemeinerungen. Spätestens die Formulierung vom
Judengen hat die Glatteisdecke brechen lassen, auf die sich der
streitbare SPD-Politiker hier bewusst begeben hat. Dass sein
Arbeitgeber Bundesbank sich von seinen Spitzenführungskräften nicht
in solcherlei zu Missverständnissen einladenden Debatten
repräsentiert sehen möchte, kann man nachvollziehen: die Aufgaben der
Bundesbank sind geld-, nicht integrationspolitischer Natur. Nicht
weniger nachvollziehbar ist, dass die SPD-Spitze Sarrazins
Menschenbild für kaum kompatibel mit sozialdemokratischen
Grundüberzeugungen hält. Mit seiner gewissermaßen rituellen
Austreibung allerdings wird die Politik das von ihm beschriebene
Problem nicht los - es existiert ja. Und zwar unabhängig davon,
welche Formen öffentlicher Diskussion darüber man zulassen möchte.
Ein Märtyrer Sarrazin verstärkte zweifellos die wachsende Distanz
jener Milieus zur Politik, die ihr ohnehin Selbstbezogenheit
vorwerfen. Auch das wird der Bundespräsident zu bedenken haben.
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