(ots) - Am Wochenende wird in Köln der Deutsche Fernsehpreis
verliehen. Im Vorfeld der Verleihung sprach Wolf Bauer,
Geschäftsführer des TV- und Film-Produzenten UFA, mit dem
Medienmagazin DWDL.de über den Zustand des deutschen Fernsehens,
erklärt warum Scripted Reality seine Berechtigung hat und wieso er
ein kostenloses Videoportal von RTL und ProSiebenSat.1 kritisch
sieht.
Es mangelt nicht an Selbstbewusstsein in der deutschen
Fernsehlandschaft, besonders nicht kurz vor der Verleihung des
Deutschen Fernsehpreises. "Wir haben das beste Fernsehen der Welt -
im Vergleich zu anderen Märkten quasi ein programmliches
Schlaraffenland. Neben der großen Programmvielfalt haben wir
zahlreiche ambitionierte Versuche wie im 'Das kleine Fernsehspiel'
oder 'Debüt' im Ersten oder auch Experimente der Privaten wie Sat.1
mit 'Die Grenze'", stellt UFA-Chef Wolf Bauer fest. "Auf ein
derartiges Angebot an Programmen könnten wir als Branche gemeinsam
stolz sein."
Und da zählt Bauer auch das in jüngster Zeit erfolgreiche Genre
der Scripted Reality mit ein. "Wenn das Publikum damit nachmittags
regelmäßig vor den Fernseher gelockt werden kann, wurde da wohl etwas
richtig gemacht Aber es gibt ja manche die glauben zu wissen, was
gut oder schädlich für's Volk ist", so Bauer mit einem Seitenhieb auf
Kritiker. Natürlich wäre es ihm aber lieber, räumt er ein, seine UFA
könnte stattdessen Telenovelas oder Dailysoaps verkaufen. Dennoch:
"Wenn wir Factual Entertainment bewerten wollen, dann müssen wir
schauen, ob die Formate innerhalb ihres Genres gute ausgedachte und
gemachte Programme sind. Ist handwerklich sauber produziert worden,
ist die dramatische Struktur gelungen?" Darauf komme es an.
Produzent Bauer treibt eine ganz andere Sorge um. "Wenn man die
Nachrichten der letzten Zeit verfolgt hat, dann wissen wir, dass sich
die werbefinanzierten Sender in Deutschland aber auch in den
wichtigsten europäischen Ländern überraschend schnell erholt haben
von den Auswirkungen der Rezession. Wir freuen uns, wenn unsere
wichtigsten Partner gut dastehen, aber sie haben natürlich in der
Zeit der Krise erheblich Kosten und dabei auch Programmbudget
reduziert", erklärt der UFA-Chef im Interview mit dem Medienmagazin
DWDL.de. "Auf diesem reduzierten Niveau - bei verstärktem Wettbewerb
- die programmliche Zukunft zu gestalten, halte ich für eine
Illusion. Wir schauen mit Sorge auf eine verringerte Gesamtmenge der
Programmbudgets aller Sender."
Deswegen steige die Euphorie bei den Produzenten nur in dem Maße,
in dem die Sender wieder mehr Geld für neue Programme ausgeben. "Das
ist ja eine berechtigte Erwartung", sagt Bauer. "Denn die Sender
werden sich einem verschärften Wettbewerb untereinander aber auch mit
ganz neuen Programmplattformen ausgesetzt sehen. Jeder Sender sollte
sich deshalb durch unverwechselbares Programm profilieren und das
kriegen sie nicht, wenn sie für die Serien-Primetime nur in USA
einkaufen." Kreativität in Deutschland müsse aber endlich auch
gewürdigt werden. "Das Modell der Auftragsproduktion stammt aus den
60er Jahren. Es gibt fast nichts was kreativitätsfeindlicher ist, als
dieses Modell. Davon müssen wir uns lösen - sonst nehmen alle
Schaden. Marktteilnehmer, die sich an dieses Modell klammern, sägen
im Grunde an dem Ast auf dem sie sitzen."
Denn inzwischen werde den Produzenten bereits deutlich mehr
abverlangt als bisher - ohne zusätzliche Vergütung seitens der
Fernsehsender. Es gehe um "Konzepte für Internet, Mobile und weitere
neue Medien. Diese Innovationslast können die Produzenten nicht
alleine finanzieren", beklagt UFA-Chef Bauer im DWDL.de-Gespräch.
"All das wird von der Monetarisierung der Kreativität abhängen. Da
haben alle Marktteilnehmer die verdammte Pflicht und Schuldigkeit
sich mit diesem Thema auseinander zu setzen." Das geplante
Videoportal von RTL und ProSiebenSat.1 sieht er kritisch.
"Kostenfreie Mediatheken halte ich für einen Fehler, weil sie den
Aufbau von kostenpflichtigen Geschäftsmodellen im Internet auf Dauer
erschweren", sagt Bauer und räumt dann jedoch ein: "Aber ich plädiere
als Plattform-Agnostiker für jede neue Verwertungsart unserer
Programme, solange wir eine angemessene Vergütung für unsere
Kreativleistung bekommen. Punkt. Ausrufezeichen!"
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Thomas Lückerath
Chefredakteur
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