(ots) - Lehrstunde für Obama
Von Joachim Rogge, Washington
Amerikas Wähler haben Präsident Barack Obama eine Lektion erteilt.
Das Ergebnis kommt einer Demontage Obamas gleich. Die Halbzeitwahlen
für den Kongress waren ein Referendum über den Kurs des Präsidenten,
der bei seiner Wahl noch so überlegen und triumphal ins Amt getragen
worden war. Zwei Jahre liegt das erst zurück, aus heutiger Sicht eine
gefühlte Ewigkeit. Obama muss nun die richtigen Antworten auf die
bittere Lehrstunde finden, die ihm die Wähler erteilt haben. Erst
spät hat Obama mit einem Hauch von Selbstkritik zu erkennen gegeben,
dass seine Politik an den Erwartungen der Bürger vorbeizielte. Nichts
treibt Amerikas Bürger mehr um, als die Sorge um ihre Jobs und die
Zukunft des turmhoch verschuldeten Landes. Amerika fasst nach der
großen Rezession nicht Tritt. Wie betoniert dümpelt die
Arbeitslosenquote um die Zehn-Prozentmarke herum. Dass ausgerechnet
die Republikaner, auf deren Comeback vor kurzem noch kaum jemand zu
wetten gewagt hätte, eine derart triumphale Auferstehung feiern
können, mag Obama zwar wie ein böser Treppenwitz der Geschichte
vorkommen. An der Notwendigkeit, auf die Konservativen zugehen zu
müssen, ändert das nichts. Obama, der Visionär und charismatische
Rhetoriker, wird sich ein Stück weit neu erfinden und in die Mitte
rücken müssen, selbst auf die Gefahr hin, die Getreuen im linken
Lager zu verprellen. Doch die Zeit großer Reformen ist nach diesem
Debakel ohnehin vorbei. Starrsinn und arrogante Besserwisserei kann
sich Obama nicht erlauben, will er sich noch die Option offenhalten,
2012 tatsächlich wieder gewählt zu werden. Aber auch die
Republikaner, die ihre Blockadepolitik bislang konsequent
durchhielten, werden sich wandeln müssen. Die Wähler haben die beiden
großen Parteien des Landes in die Pflicht genommen zusammen zu
arbeiten. Innenpolitischen Stillstand können sich die USA angesichts
der drückenden Probleme tatsächlich nicht erlauben. Ob sich die
Republikaner diese Erkenntnis zu eigen machen, wird sich schnell
zeigen. Das Schicksal der demokratischen Konkurrenz sollte den
Republikanern klar machen, wie Hochmut und Selbstüberschätzung enden
können. Im Land ist längst nicht vergessen, wer die Karre vor Obama
in den Dreck fuhr. Auch die Strategen der "Tea Party" werden nach
diesem Tag Lehren zu ziehen haben. Zwar schätzen zunehmend mehr
Wähler den Schwung und die Dynamik dieser Bewegung, die Amerikas
Politikbetrieb mächtig aufmischt und, bei allem Populismus,
berechtigte Sorgen und Ängste vieler Amerikaner artikuliert. Doch
Vertreter der "Tea Party", die allzu schrill und radikal daherkamen,
fielen in der Wahlkabine glatt durch. Bei aller Unzufriedenheit sind
Amerikas Wähler nicht geneigt, das Schicksal ihres Landes in die
Hände politischer Abenteurer zu legen. Das ist eine erfreuliche
Botschaft dieser Halbzeitwahlen.
Pressekontakt:
General-Anzeiger
Kai Pfundt
Telefon: 0228 / 66 88 423
k.pfundt(at)ga-bonn.de