(ots) - Der von Angela Merkel ausgerufene Herbst der
Entscheidungen ist keine Worthülse aus der schwarz-gelben
Propaganda-Küche. Genauso wie der kürzlich beschlossene Ausstieg aus
dem Atomausstieg wird auch die heute im Bundestag abschließend
verhandelte Gesundheitsreform das Land verändern. Ob zum Guten, ist
eher zweifelhaft. Bislang galt das Schimpfwort Zwei-Klassen-Medizin
als Chiffre für eine abgestufte Versorgungsqualität, die in der
unsinnigen Trennung zwischen privat und gesetzlich Versicherten
begründet ist. Künftig wird man wohl von einer Drei-Klassen-Medizin
sprechen müssen. Denn auch Kassenpatienten werden demnächst
unterschiedlich eingestuft: Vergleichsweise gut bedient sind jene,
die sich vom Arzt auch auf eigene Rechnung behandeln lassen können.
Wem das Geld dafür fehlt, der muss sich ganz hinten anstellen. Zu
verantworten hat das ein Gesundheitsminister, der viel von
Solidarität redet, aber in Wahrheit eine Liberalisierung meint. Und
die hat mit der herkömmlichen gesetzlichen Krankenversicherung wenig
zu tun. In Zukunft müssen die Versicherten sämtliche
Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein schultern. Der
Beitragsanteil der Arbeitgeber wird dauerhaft eingefroren. Im
Gegenzug drohen steigende Zusatzbeiträge, die die Geringerverdiener
überproportional stark belasten. Ihnen muss es geradezu zynisch
erscheinen, wenn ihnen mitgeteilt wird, dass sie sich künftig
leichter gegen Vorkasse verarzten lassen können. Dieses Prinzip
beschleunigt zwar die Terminvergabe in den Praxen. Doch erstatten die
gesetzlichen Kassen nur einen Teil der Kosten für diese
Privatbehandlung. Das können sich viele Patienten gar nicht leisten.
Auch die Möglichkeit, auf Medikamente auszuweichen, die keinem
Rabattvertrag zwischen Kasse und Pharmahersteller unterliegen, ist
nur ein Scheinvorteil für die Patienten. Die Mehrkosten bleiben
ebenfalls an ihnen hängen, obwohl das billigere Arzneimittel in aller
Regel genauso so gut wäre. Aber wer würde das schon zugeben, wenn er
daran ordentlich verdient. Die Ärzte nicht, die Apotheker nicht und
die Pillenindustrie schon gar nicht. Sie kann am Ende ein Stück von
dem wettmachen, was ihr Rösler durch Zwangsrabatte und
Preisverhandlungen abgerungen hat. Damit entpuppt sich seine
scheinbar mutige Tat als schwaches Trostpflästerchen. Im Kern bleibt
festzuhalten, dass Philipp Rösler die gesetzliche Krankenversicherung
nach den Spielregeln der privaten umformt. Damit treibt er die
Entsolidarisierung voran. Und die soziale Gerechtigkeit bleibt auf
der Strecke. Von einem Gesundheitsminister mit FDP-Parteibuch war
allerdings kaum etwas anderes zu erwarten.
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