(ots) - Auf dem Parteitag in Karlsruhe hat Angela Merkel
endlich das gezeigt, was viele von ihr so lange vermisst haben:
Kantigkeit, um nicht zu sagen Aggressivität gegenüber dem politischen
Gegner. Entschlossenheit, um nicht zu sagen Führungswillen nach
innen. Härte, um nicht zu sagen Dickfelligkeit gegenüber den Medien.
Der Ruf nach mehr "CDU pur" ist ziemlich verklungen. Fast ein
Jahrzehnt lang hat die erste CDU-Chefin aus dem Osten, die erste auch
ohne eigene Basis und Seilschaften, davon gelebt, dass die anderen in
der Union noch schwächer waren als sie. So kam sie überhaupt ins Amt,
als einzige Nichtverbrannte der CDU-Spendenaffäre. So behielt sie
ihre Machtposition. Gestern in Karlsruhe nun ging sie Mal daran, die
Parteispitze aktiv nach ihrem Plan zu formen. Es gibt kein anderes
Kraftzentrum mehr in der Union, das Angela Merkel quer kommen könnte.
Nicht die Fraktion, nicht die Länder. Auch inhaltlich nehmen die
Parallelen zu Helmut Kohl zu. Merkel, die bisher wohltuend
unideologisch argumentierte, sucht jetzt ihr Heil in einer stärkeren
parteipolitischen Polarisierung gegen Rot-Rot-Grün. Allerdings ist
das alles noch mehr verbal als real. Die Radikalreformen von Leipzig
sind endgültig begraben. Die Familienpolitik ist modern, die
Innenpolitik liberal. Die aktuellen Änderungen im Gesundheitssystem,
bei Hartz IV und in der Haushaltspolitik sind moderat. Nur beim Atom
weicht sie davon ab. Das ist ein klarer Angriffspunkt und Fehler,
zumal er eine schwarz-grüne Option verbaut. Insgesamt aber hat Merkel
begriffen, dass im föderalen Deutschland mit seiner Vielzahl von
Entscheidungsebenen das "Durchregieren" sowieso nur eine Idee von
Politiktheoretikern sein kann, nicht von Praktikern. Sie hat
begriffen, dass die Leute ("die Leut", hätte Kohl gesagt) am
zufriedensten sind, wenn sie von der Politik nicht behelligt werden
und eine Regierung souverän agiert. Großes zu bewegen, dafür hat sich
Merkel längst eine andere Ebene erschlossen: Europa, wie gerade beim
Euro-Stabilitätspakt, oder gar die ganze Welt, wie gerade beim
G-20-Gipfel. Das alles wirkt gereift und souverän. Merkel ist in
Karlsruhe auf dem Gipfel ihrer Macht angekommen. Nun muss sie nur
noch aufpassen, dass aus Dickfelligkeit, die eine Kanzlerin haben
muss, nicht Selbstgefälligkeit wird. Jedenfalls nicht so schnell.
Dann kann sie noch lange dort bleiben.
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