(ots) - Der Zeitgeist ist grün. In den demoskopischen
Befunden bricht die Öko-Partei immer neue Sympathie-Rekorde. Gleich
zwei Regierungschef-Posten, die in Stuttgart und in Berlin, scheinen
für die Grünen zum Greifen nah. Kein Zweifel, die einst belächelten
Bannerträger der Sonnenblume stellen die politische Welt auf den
Kopf. Woher rührt der unverhoffte Aufschwung, und wie wollen die
Grünen damit umgehen? Der Bundesparteitag in Freiburg wäre der
passende Ort gewesen für eine erschöpfende Grundsatzdebatte zum
grünen Selbstverständnis. Dass es nicht dazu kam, hat mit einer
seltsamen Beklommenheit über die eigene Stärke zu tun. Die alte und
neue Parteispitze reklamierte nur, dass die Grünen fortan eine
Politik "für alle" machen müssten. Was das wirklich heißt, darüber
gaben sie keine Auskunft. Zweifellos erklärt sich der grüne Erfolg
nicht allein aus dem schwarz-gelben Niedergang oder einer
schwachbrüstigen SPD. Vielmehr sind die grünen Ur-Themen in der Mitte
der Gesellschaft angekommen. Wer ist nicht für den Schutz der Umwelt
oder eine saubere Energie? Hier haben sich die Grünen über viele
Jahre hinweg Kompetenz und Glaubwürdigkeit erarbeitet. Am
überzeugendsten waren sie freilich immer in der Opposition und im
Straßenprotest. Die Sitzblockaden in Gorleben und der Kampf gegen das
Bahnprojekt in Stuttgart haben diesen Nimbus neu belebt. Umso größer
droht nun der Spagat zu werden, der sich aus der gewachsenen
politischen Bedeutung der Grünen ergibt. Was, wenn ein grüner
Landesvater in Baden-Württemberg am Ende doch den verhassten
Untergrundbahnhof akzeptieren muss? Oder eine grüne Landesmutter in
Berlin weitere Sparmaßnahmen im Sozialbereich? Überhaupt wird man die
Grünen künftig nicht nur an ihren ökologischen Konzepten messen.
Einstweilen sind sie stolz darauf, auch die eigene Gutverdiener-
Klientel mit Zumutungen zu überziehen. In Freiburg wurden eine
Anhebung der Krankenkassenbeiträge für höhere Einkommen und eine
Ausdehnung der Gewerbesteuer auf Freiberufler beschlossen. Was wird
davon bleiben, wenn die Grünen 2013 im Bund wieder mitregieren? In
Freiburg waren die Grünen nur stark im Wohlfühlen. Anstatt über
Konsequenzen aus ihrer gewachsenen Rolle zu streiten, zelebrierte man
unstrittiges Gedankengut. Eine Politik "für alle" würde bedeuten,
auch nach allen Seiten kompromissfähig zu sein. Das zu
berücksichtigen und gleichzeitig anders zu bleiben, wird bei den
Grünen noch für Zündstoff sorgen. Mehr politische Stärke bedeutet
auch mehr Verantwortung. Darauf ist die Partei nicht eingestellt.
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