(ots) -
- Niederländer, Schweizer und Schweden bewerten Versorgung besser
und sorgen sich weniger um die Behandlungen bei Krankheiten
- Kritik an Gesundheitsreform: 75 Prozent der Bürger und 93
Prozent der Ärzte zweifeln an längerfristiger Finanzierung des
Systems
- Über 70 Prozent der Bürger und Ärzte halten Lasten für ungerecht
verteilt - Großteil sieht vor allem die Pharmabranche verschont
- Pflege: 64 Prozent der Bevölkerung fordern Politik auf, mehr zu
tun
Trotz einer verbesserten Bewertung schneidet das deutsche
Gesundheitssystem schlechter ab als die Vorbildländer Niederlande,
Schweiz und Schweden. Außerdem sind viele Deutsche mit der aktuellen
Gesundheitsreform unzufrieden und kritisieren vor allem eine
ungerechte Lastenverteilung. Unverändert hoch ist die Befürchtung von
Bürgern und Ärzten, dass der zunehmende Kostendruck die Qualität der
Gesundheitsversorgung belastet. Gleich-zeitig gestehen beide Gruppen
ein, dass die Deutschen häufig unnötig zum Arzt gehen. Dies sind
einige Kernergebnisse des 5. MLP Gesundheitsreports. Die
repräsentative Studie im Auftrag des Finanz- und Vermögensberaters
MLP hat das Institut für Demoskopie Allensbach mit Unterstützung der
Bundesärztekammer erstellt.
Insgesamt beurteilen 70 Prozent der Bürger (2009: 64 Prozent) und
88 Prozent der Ärzte (2009: 82 Prozent) die derzeitige
Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems als "gut" oder
"sehr gut". Höher sind die Werte mit 77 Prozent in den Niederlanden,
81 Prozent in Schweden und 93 Prozent in der Schweiz. Gleichzeitig
haben mit 51 Prozent (2009: 59 Prozent) deutlich mehr Deutsche in den
vergangenen zwei, drei Jahren eine Verschlechterung der
Gesundheitsversorgung festgestellt als die Bürger in den
Vergleichsländern (Niederlande: 34, Schweden: 20, Schweiz: 15
Prozent). Ausgeprägter ist auch die Befürchtung, im Krankheitsfall
auf eine notwendige Behandlung verzichten zu müssen: Während in der
Bundesrepublik 42 Prozent diese Sorge äußern, sind es in Schweden 30,
in den Niederlanden 21 und in der Schweiz lediglich 18 Prozent.
Ausgewählt wurden die Vergleichsländer unter anderem, weil Ärzte sie
im MLP Gesundheitsreport wieder-holt als führend einstufen.
Befragte zweifeln am Erfolg der Gesundheitsreform Deutliche Kritik
äußern die Befragten an der jüngsten Gesundheitsreform, die zum 1.
Januar 2011 in Kraft tritt. Während in der Bevölkerung 75 Prozent
daran zweifeln, dass die beschlossenen Maßnahmen die Finanzierung des
Gesundheitssystems für längere Zeit sicherstellen, sind es bei den
Ärzten sogar 93 Prozent. Die mit der Reform ausgeweitete Möglichkeit
für gesetzliche Krankenversicherungen (GKV), einkommensunabhängige
Zusatzbeiträge zu verlangen, halten 82 Prozent der Bürger für
ungerecht. Bereits heute zahlen 22 Prozent der gesetzlich
Versicherten nach eigenen Angaben Zusatzbeiträge, weitere 38 Prozent
rechnen in absehbarer Zeit damit. Von ihnen denken 25 Prozent über
einen Wechsel ihrer Krankenkasse nach.
Positiv sehen 71 Prozent der GKV-Versicherten die von
Bundesminister Philipp Rösler vorgeschlagene Ausweitung der
Kostentransparenz. Insgesamt bewerten Bevölkerung und Ärzte die
Gesundheitspolitik der neuen Bundesregierung aber kritisch - 61 bzw.
73 Prozent haben "keinen guten Eindruck". Allerdings sind diese Werte
im Vergleich zur Großen Koalition leicht verbessert (62 bzw. 87
Prozent). Auf die Frage, ob die Politik dauerhaft eine gute
Gesundheitsversorgung sicherstellen kann, zeigten sich 80 Prozent der
Ärzte (2009: 79 Prozent) und 77 Prozent der Bürger (2009: 79 Prozent)
skeptisch. Zum Vergleich: In der Schweiz, den Niederlanden und
Schweden ist die Skepsis mit 65, 63 bzw. 56 Prozent weniger
ausgeprägt.
"Wir brauchen ein langfristiges Umdenken in der
Gesundheitspolitik. Es gibt kein Patentrezept, das kurzfristig alle
Probleme des Systems löst und sämtlichen Interessen gerecht wird.
Aber das Beispiel Schweiz zeigt sehr gut, wie eine größere
Eigenverantwortung der Versicherten zu einer hohen Zufriedenheit mit
der Gesundheitsversorgung führen kann", sagte
MLP-Vorstandsvorsitzender Dr. Uwe Schroeder-Wildberg bei der
Vorstellung der Studie in Berlin.
Große Sorge vor weiteren Leistungseinschränkungen
Ein Grund für die aktuelle Unzufriedenheit mit der Politik ist die
Lastenverteilung im Zuge der Gesundheitsreform - mehr als 70 Prozent
der Bürger und Ärzte halten sie für ungerecht. Zu stark belastet
werden nach Einschätzung beider Gruppen die Versicherten (Bürger: 66
Prozent, Ärzte: 54 Prozent); dagegen kommen Pharmaunternehmen nach
Ansicht von 61 Prozent der Bürger und 54 Prozent der Ärzte zu gut
weg. Unverändert hoch ist darüber hinaus die Sorge vor
Leistungseinschränkungen: 42 Prozent der Deutschen machen sich
Sorgen, im Krankheitsfall eine notwendige Leistung nicht verschrieben
zu bekommen. Gleichzeitig haben 38 Prozent der gesetzlich
Versicherten, aber nur 9 Prozent der privat Versicherten das Gefühl,
dass ihnen aus Kostengründen bereits Behandlungen oder Medikamente
vorenthalten wurden. Auch 55 Prozent der Ärzte geben an, bereits aus
Kostengründen auf eine medizinisch sinnvolle Behandlung verzichtet zu
haben und sehen zu 72 Prozent ihre Therapiefreiheit bedroht.
Gefragt nach den Gründen für die finanziellen Probleme der
gesetzlichen Krankenkassen geben 70 Prozent überhöhte
Medikamentenpreise und 68 Prozent die demografische Entwicklung an.
Dass viele Deutsche häufig unnötig zum Arzt gehen, glaubt mehr als
jeder zweite Patient. Bestätigt wird diese Einschätzung von 70
Prozent der Ärzte.
Ärzte unterstützen stärkere Kostenbeteiligung der Versicherten
Aus der Umfrage kristallisieren sich mehrere Lösungsansätze zur
Sicherstellung einer leistungsfähigen Gesundheitsvorsorge heraus. So
unterstützen es rund zwei Drittel der Bürger, Versicherte stärker an
Behandlungskosten zu beteiligen, die nicht zu Vorsorgeuntersuchungen
gehen. Ähnlich hoch ist die Zustimmung für den Vorschlag, dass
Leistungen nicht mehr übernommen werden, die nicht unbedingt zur
Heilung von Krankheiten notwendig sind. Die Ärzte fordern zu 73
Prozent, Versicherte einen Teil der Kosten bis zu einer Obergrenze
selbst zahlen zu lassen. Außerdem würden 69 Prozent die Einführung
einer Positivliste für Medikamente begrüßen.
Positive Bewertung der privaten Krankenversicherung
Sind Sie mit Ihrer Krankenversicherung gut abgesichert? Diese
Frage beantworteten 87 Prozent der privat Versicherten positiv - 28
Prozentpunkte mehr als unter den gesetzlich Versicherten.
Gleichzeitig sagen knapp drei Viertel der befragten Mediziner, dass
sich Ärzte stärker um Privatpatienten bemühen. Für 75 Prozent der
niedergelassenen Ärzte sind Privatpatienten für den Erfolg der
eigenen Praxis "wichtig" oder "sehr wichtig". Weiterhin hoch ist das
Interesse an privaten Zusatzversicherungen: Derzeit erwägen 43
Prozent der gesetzlich Versicherten den Abschluss einer
(weiteren)Police. "Dieses Ergebnis zeigt den Wunsch vieler
Versicherter nach einer umfassenden und individuellen Absicherung",
sagte Uwe Schroeder-Wildberg.
Bevölkerung fordert Reform der Pflegeversicherung
In der Pflege glauben lediglich 15 Prozent der Deutschen, im
gesetzlichen System ausreichend abgesichert zu sein; mehr als zwei
Drittel fühlen sich unterversorgt. Gleichzeitig fordert die
Bevölkerung die Politik auf, die Pflegeversicherung zu reformieren:
64 Prozent sind der Meinung, dass das Thema in der Politik einen
höheren Stellenwert einnehmen muss.
Der MLP Gesundheitsreport ist eine repräsentative Umfrage unter
rund 1.800 Bundesbürgern und mehr als 500 Ärzten. Erstmals befragt
wurden in diesem Jahr zudem repräsentative Bevölkerungsteile in den
Niederlanden, Schweden und der Schweiz. Weitere Details sowie eine
Bestellmöglichkeit des Reports unter www.mlp-gesundheitsreport.de.
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