(ots) - Die USA sind im freien Fall: 14 Billionen Dollar
Staatschulden, defizitäre Handelsbilanzen, schwache Konjunkturdaten
und die hohe Arbeitslosigkeit offenbaren die Schwäche eines Landes,
das seinen Zenit überschritten hat. Doch Schadenfreude ist fehl am
Platz. Europa und Amerika sind wirtschaftlich, diplomatisch und
militärisch so eng verzahnt, dass Verluste jenseits des Atlantiks
auch hierzulande Unheil stiften. Noch im Sommer wären die USA fast
pleite gegangen. Das hätte auch Europa beschädigt.
Es erstaunt somit, dass sich ausgerechnet US-Präsident Barack
Obama die Rolle unseres Zuchtmeisters anmaßt. Sein vorlautes Wort,
die »EU-Krise ängstige die Welt«, prallt diesseits des Atlantiks ab.
Längst ist den Europäern klar, dass die weltweite Finanz- und
Wirtschaftskrise von den USA ausging - von der amerikanischen
Bankenkrise und Immobilienblase, die die internationale Finanzkrise
auslöste. Obamas EU-Schelte fällt somit auf ihn selbst zurück:
Amerika, nicht Europa, hat die Welt in Bedrängnis gebracht.
Obendrein hat der US-Präsident das amerikanische Finanzsystem
nicht ausreichend reformiert. Viele Verbesserungen sind gescheitert:
Die Megabanken können im Krisenfall den Steuerzahler weiterhin als
Geisel nehmen, der Eigenhandel bleibt erlaubt, die Banken zahlen
wieder exorbitante Boni, der Derivatenhandel wurde nicht unterbunden,
und ungedeckte Leerverkäufe bleiben zulässig. Wall Street - nicht
»Main Street« - hat obsiegt. Diese traurige Bilanz täuscht keinen
Europäer, der die Zeche für die US-Finanzmisere mitzahlen muss.
Somit wird offenkundig, dass Obama die EU-Attacke als Schachzug im
Präsidentschaftswahlkampf einsetzt. Sein Versuch, Europa als
Sündenbock darzustellen, soll von eigenen Fehlern und Versäumnissen
ablenken und die Kritik entschärfen. Diese pure Wahlkampftaktik wird
höchstens von naiven Wählern geschluckt; hierzulande wird das Manöver
durchschaut. Der US-Präsident entlarvt sich selbst.
Nun wäre es unfair, die Hauptschuld an der US-Misere nur dem
Präsidenten zuzuschieben. Kongress, Medien, Bankenlobby,
»Tea-Party«-Aktivisten und die Blockadepolitik der Republikaner sind
mitverantwortlich. Das jüngste Gezerre um die US-Verschuldungspolitik
hat die Engstirnigkeit und Hartnäckigkeit der amerikanischen
Opposition beängstigend offenbart. Eher schadet man sich und dem
Lande, als mit diesem Präsidenten zusammenzuarbeiten.
Doch egal, ob Präsident oder Kongress hier versagt haben: Europa
und die USA dürfen jetzt nicht streiten. Sie sitzen im gleichen Boot
und sollten gemeinsam die Kuh vom Eis ziehen. Statt die Europäer zu
belehren, die angespannt eine Lösung der Euro-Krise suchen, hätte
Obama seine Kooperation anbieten müssen.
Leider lässt er sich jedoch vom Blockadegeist seiner Gegner
infizieren. Das ist ein fataler Fehler - auch für einen Präsidenten,
der im Wahlkampf nur taktisch lavieren will.
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Andreas Kolesch
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