(ots) - Das kurz vor der Verabschiedung stehende
Beschäftigtendatenschutzgesetz der Bundesregierung wird von
Gewerkschaftern, Arbeitsrechtlern, Datenschützern und selbst
Arbeitgebern massiv kritisiert. So sagte die ehemalige
Bundesjustizministerin Prof. Herta Däubler-Gmelin im Interview mit
"Report Mainz": "Es ist einfach traurig, dass man die Chance so
vergibt, jetzt ein Grundrecht, nämlich das Grundrecht
Persönlichkeitsschutz für Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis, fair zu
schützen."
Nach dem Gesetzentwurf dürfen Arbeitgeber unter bestimmten
Voraussetzungen die Inhalte von E-Mails ihrer Arbeitnehmer auswerten,
mehr Videoüberwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz zur
Qualitätssicherung installieren und vor allem großflächige,
verdachtsunabhängige Datenabgleiche, sogenannte Screenings, über alle
Beschäftigten vornehmen. Insbesondere diese Screenings kritisierte
die ehemalige Bundesjustizministerin: "Hier macht der Arbeitgeber
mehr als zum Beispiel die Staatsanwaltschaft in unserem
rechtsstaatlichen System dürfte." Insofern sei es deutlich besser,
gar kein Gesetz als dieses zu haben, sagte sie. Auch der für
Datenschutz in der Telekom AG zuständige Vorstand, Manfred Balz,
kritisierte den Gesetzentwurf: "Das Gesetz geht in der Tat weiter als
das geltende Recht nach unserer Auffassung. Es geht vor allem auch
weiter als das, was wir als Unternehmen mit unseren Arbeitnehmern
vereinbart haben im Bereich des Personaldatenschutzes, und dass das
weh tut, ist selbstverständlich." In der Telekom AG sind heute nur
anlassbezogene Screenings zulässig: "Und zwar muss der Anlass ein
harter strafrechtlicher Anfangsverdacht sein. Ein flächendeckendes,
prophylaktisches Screening von Personaldaten, um möglicherweise mit
dem Schleppnetz Erkenntnisse zu gewinnen, ist bei uns
ausgeschlossen", sagte Balz gegenüber "Report Mainz".
Anlass für das Beschäftigtendatenschutzgesetz der Bundesregierung
waren zahlreiche Skandale mit Arbeitnehmerdaten u. a. bei der Bahn AG
und Telekom AG, Lidl und Daimler. Dabei hatten Arbeitgeber ihre
Arbeitnehmer heimlich gefilmt, deren Konten- und
Telefonverbindungsdaten ausgespäht oder Ergebnisse von Bluttests und
Krankheiten in Personalakten erfasst.
Ver.di-Vorstand Lothar Schröder kritisiert dieses Gesetz scharf:
"Dass der Gesetzgeber jetzt genau das Gegenteil von dem tut, was er
eigentlich machen müsste, das ist nicht nur irritierend, ich halte
das für einen Skandal. Wenn dieses Gesetz jetzt kommt, werden wir
morgen viel mehr Opfer haben und es wird legal sein."
Nach dem neuen Gesetz dürfen Arbeitgeber die Inhalte von E-Mails
ihrer Arbeitnehmer auswerten, wenn sie die Privatnutzung verboten
haben. Das habe die fatale Folge, sagt Prof. Peter Wedde,
Arbeitsrechtler und Direktor der Europäischen Akademie der Arbeit an
der Universität Frankfurt/Main, "dass beispielsweise auch die
E-Mail-Korrespondenz zum Betriebsrat oder zum Betriebsarzt gelesen
werden kann. Nach heutiger Gesetzeslage nicht zulässig, nach morgiger
dann ein klarer Eingriff in Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten
und eine Reduzierung des Datenschutzstandards". Außerdem sind mit dem
neuen Gesetz Videoüberwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz zur
Qualitätssicherung möglich: "Das gibt dem Arbeitgeber den Vorwand,
umfassende Verhaltens- und Leistungskontrollen von Beschäftigten
durchzuführen. Nach dem derzeit geltenden Recht waren diese
umfassenden Kontrollen nicht zulässig", kritisiert Wedde im Interview
mit "Report Mainz".
Sowohl Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
als auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wollten sich
gegenüber "Report Mainz" nicht äußern. Der Entwurf des
Beschäftigtendatenschutzgesetzes wurde federführend im
Bundesinnenministerium erarbeitet. Aus dem Bundesinnenministerium
liegt "Report Mainz" ferner ein vertrauliches Papier zu diesem Gesetz
vom 21.9.2011 vor. Es befasst sich mit weiteren Änderungsvorschlägen.
Nach übereinstimmender Einschätzung von Fachleuten würden diese eine
weitere Verschlechterung für die Arbeitnehmer bedeuten. Zum Beispiel
ist es nach dieser Vorlage erlaubt, Bewerber nicht nur zu googeln,
sondern mit deren Zustimmung auch auf deren besonders geschützte
Bereiche in sozialen Netzwerken wie Facebook zuzugreifen, schätzt
Wedde ein: "Der Beschäftigte müsste dann nur hinterher auf Verlangen
über diesen Zugriff informiert werden."
Der innenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Konstantin
von Notz, sagte, dass mit diesem Gesetz die Standards des
Datenschutzes für Arbeitnehmer insgesamt abgesenkt würden: "Dadurch
wird die Kultur des Misstrauens, die in den letzten Jahren durch zu
starke Ãœberwachung am Arbeitsplatz entstanden ist, legalisiert. Das
ist eine schlechte Entwicklung für die Unternehmenskultur in
Deutschland."
Weitere Informationen finden Sie auf der Internet-Seite
www.swr.de/report.
Zitate gegen Quellenangabe frei.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel.:
06131/929-3351.