(ots) - Joachim Gauck sagte bei der ZEIT MATINEE in den
Hamburger Kammerspielen, dass er die Antikapitalismusdebatte für
"unsäglich albern" halte: Der Pastor, Politiker und Publizist betonte
bei der Veranstaltung der Wochenzeitung DIE ZEIT, dass der Traum von
einer Welt, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne,
eine romantische Vorstellung sei. Zu glauben, dass wenn man das
Kapital besiege, die Entfremdung vorbei und dann alles schön sei, sei
ein Irrtum.
Die aktuellen Bürgerproteste gegen die Banken und das Finanzsystem
würden sich nicht zu einer dauerhaften Protestbewegung entwickeln.
"Das wird schnell verebben", so Gauck. "Ich habe in einem Land
gelebt, in dem die Banken besetzt waren." Gauck fragte, ob es nicht
zweifelhaft sei, zu glauben, dass unsere Einlagen sicherer wären,
wenn die Politiker in der Finanzwirtschaft das Sagen hätten.
Mit Blick auf die Proteste beim Bahnprojekt Stuttgart 21 warnte
Gauck vor einer Protestkultur, "die aufflammt, wenn es um den eigenen
Vorgarten geht". Die deutsche Neigung zu Hysterie und Angst nannte er
"abscheulich".
Im Gespräch mit ZEIT-Herausgeber Josef Joffe und Redakteur Jochen
Bittner forderte Gauck von der Politik mehr Rationalität und eine
stärkere Sachdebatte. Man könne wichtige politische Entscheidungen,
wie etwa den Ausstieg aus der Kernkraft, nicht von der Gefühlslage
der Nation abhängig machen. Genau das aber tue die Regierung Merkel,
weil die Furcht vor der nächsten Wahlniederlage das politische
Handeln dominiere. "Ich fürchte mich vor einem modernen Politikertyp,
der völlig auf Inhalte verzichtet", so Gauck.
Gauck äußerte sich auch zu dem Führungsstil von Angela Merkel:
"Mir gefällt ihre Nüchternheit, sie hat nicht diese Gockelhaftigkeit
wie viele ihrer männlichen Kollegen." Aber ihm fehle bei der
Kanzlerin die Erkennbarkeit. "Ich respektiere sie, aber ich kann sie
nicht richtig erkennen." Man müsse klar für das stehen, was man
vertritt.
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