(ots) - Wenn Israel einen einzigen Soldaten gegen
insgesamt 1037 palästinensische Gefangene austauscht, erscheint
dieser Deal zunächst unverständlich. Denn viele der befreiten
Palästinenser sind berüchtigte Mörder und Terroristen. Doch der
israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiß, was er tut: Er
will einen Keil zwischen den gemäßigten Mahmoud Abbas und die
radikal-islamische Hamas treiben und somit zusätzlich verhindern,
dass Abbas die Gründung des Staates Palästina durch die UNO
legitimiert. Was zunächst als Gefälligkeit aussieht, ist reines
Machtkalkül. Innenpolitisch hatte Netanjahu keine Wahl: Israel folgt
einem religiösen und politisches Gebot, jeden Juden aus einer
Geiselhaft zu befreien. Schon im Mittelalter missbrauchten deutsche
Fürsten diesen Grundsatz, um Lösegelder zu erpressen. Netanjahu
musste zwischen jüdische Moral und dem Grundsatz wählen,
terroristischen Erpressungen nicht nachzugeben. Da die meisten
Israelis und Minister den Soldaten Gilad Shalit befreien wollen, hat
Netanjahu nachgegeben. Das hat ihn politisch aufgewertet. Auch die
anti-israelische Hamas erscheint zunächst als Sieger bei diesem
ungleichen Deal. Doch sie sollte sich nicht zu früh freuen: Sie hat
ihre Maximalforderungen nicht durchgesetzt, und viele der
Freigelassenen werden ins Ausland abgeschoben oder dürfen nicht nach
Palästina zurückkehren. Wer dennoch in den Gaza-Streifen heimkehrt,
soll durch scharfe israelische Kontrollen am Terrorismus gehindert
werden. Zumindest hoffen dies viele Israelis. Netanjahu muss sich
beeilen, den arabischen Frühlings zu nutzen: Da sich die Hamas gegen
den syrischen Diktator Hafis Assad stellt, hat sie die Unterstützung
aus dem Iran verloren. Nun hofft sie auf Hilfe durch die ägyptischen
Muslimbrüder. Netanjahu will schnell handeln - denn sollte Ägypten
nach der kommenden Wahl einen anti-israelischen Kurs einschlagen,
könnte es für den Soldaten Shalit zu spät sein. Das hat der
israelische Ministerpräsident rechtzeitig erkannt. Sein Schachzug ist
klug und pragmatisch. Dass er dabei die Hamas zunächst aufwertet,
kann er verkraften: Noch bleiben mehr als 7000 palästinensische
Gefangene in israelischer Hand. Obendrein fällt die Hamas bei ihren
Anhängern zunehmend in Ungnade: Ihr anti-israelischer Kurs hat die
Gründung des Staates Palästina verhindert; immer mehr Palästinenser
wünschen sich einen eigenen Staat und rücken von der kompromisslosen
Hamas ab. Leider kann Frieden nicht entstehen, solange die
Grundprobleme des israelisch-palästinensischen Konfliktes ungelöst
bleiben. Beide Seiten müssen nachgeben - bei den illegalen jüdischen
Siedlungen, der Hauptstadt Jerusalem und der palästinensischen
Staatsgründung. Der Austausch mag ein wenig Hoffnung bringen, der
Grundkonflikt wird nicht entschärft.
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