(ots) - Vielen gilt die Veranstaltung als gescheitert,
noch bevor sie begonnen hat. Bei der Bonner Afghanistan-Konferenz
treffen sich am Montag 100 Delegationen - nur der unmittelbare
Nachbar Pakistan ist nicht dabei.
Tatsächlich hat das Bundesaußenministerium seit Monaten
vorgearbeitet, Ressortchef Guido Westerwelle ist in Kabul und
Islamabad mehrfach vorstellig geworden und die USA sind nicht minder
am Gelingen interessiert.
Doch mit der informellen Absage Pakistans fehlt genau der Partner,
ohne und gegen den nichts geht. Anlass für das Fernbleiben war der
Angriff von US-Kampfhubschraubern auf einen Grenzposten, bei dem vor
einer Woche 24 pakistanische Soldaten ums Leben kamen. Dabei sind die
Umstände des Zwischenfalls, für den sich US-Ministerin Hillary
Clinton in aller Form entschuldigte, vollkommen unklar. Selbst
US-kritische Beobachter halten vielerlei Erklärungen für möglich -
von Provokation über Versehen bis Falle.
Hintergrund ist, dass sich das Verhältnis zwischen den USA und
Pakistan zusehends abkühlt. Seit Osama bin Laden am 2. Mai, heute vor
sieben Monaten, mitten im pakistanischen Kernland von US-Kräften
liquidiert wurde, tut sich ein immer breiterer Spalt zwischen beiden
Ländern auf.
Zum einen stützt Washington das islamische Land mit jährlich vier
Milliarden Dollar, zum anderen warf die solcherart gestützte Führung
in Islamabad den USA Invasionsabsichten vor. Dennoch: Obwohl durch
dieses schwere Zerwürfnis belastet, kann und muss die Bonner
Afghanistan-Konferenz stattfinden. Mehr noch: Die schwierige Lage
zwingt zur Realpolitik. Diplomatische Schönrednerei hat keine Chance
und erlaubt nichts anderes als eine schonungslose Bilanz:
- Der Abzug der internationalen Kampftruppen bis 2014 ist auch ein
Stück Kapitulation.
- Die geplante Aufrechterhaltung riesiger US-Stützpunkte über 2014
hinaus dokumentiert den fortwährenden Anspruch auf Einfluss -
beiderseits des Kyberpasses.
- Das auch von Deutschland angestrebte zivile und
entwicklungspolitische Engagement muss noch lange andauern.
Andernfalls droht ein Desaster.
Ziel der Bonner Konferenz ist es, die Zeit nach dem Abzug der
Kampftruppen zu planen. In den vorläufigen Papieren ist von einer
weiteren »Dekade« der zivilen Unterstützung die Rede. Anfangs wurde
das deutsche Engagement am Hindukusch als eine Art bewaffnetes
Technisches Hilfswerk dargestellt. Die Wirklichkeit sah anders aus.
Analog bedeutet die neue Formel von der »zivilen Dekade« auf
Realdeutsch: Bis 2024 zehn weitere Jahre Engagement,
Entwicklungszusammenarbeit im großen Stil, Demokratieberatung und
Dorfschulbau. Im übrigen hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière
(CDU) auch schon durchblicken lassen, dass deutsche Soldaten noch
länger benötigt werden könnten...
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