Wie wir bereits in unserem Newsletter berichtet hatten, hat das Landgericht Dortmund mit Beschluss vom 14. Juli 2011 in dem von uns im Auftrage des Wirtschaftsverbandes eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren die Verwendung der Bezeichnung "Textilleder" in der Werbung für Möbelstücke, deren Bezugsstoffe nicht oder nicht überwiegend aus Leder bestehen, per einstweiliger Verfügung untersagt.
(firmenpresse) - In der Zwischenzeit wurde diese einstweilige Verfügung von der Gegenseite als endgültige Regelung anerkannt und ist somit rechtskräftig.
Nunmehr hat auch das Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 23. September 2011 (Az.: 17 O 119/11) unserem Antrag stattgegeben und im Wege der einstweiligen Verfügung die Verwendung der Materialbezeichnung „Textilleder“ in der Werbung für Möbelstücke verboten.
Darüber hinaus liegt mit dem Urteil des Landgerichts Würzburg vom 6. Oktober 2011 (1 HK O 1429/11) auch die erste Entscheidung in einem ("normalen") Klageverfahren vor - vorherige Entscheidungen waren jeweils im Rahmen des schnelleren sog. einstweiligen Rechtsschutzes ergangen. Auch in diesem Fall gab das Landgericht Würzburg unserem Antrag statt und untersagte der Beklagten, einer Möbelhändlerin, die Verwendung der Bezeichnung „Textilleder“ in der Werbung.
Sachverhalt
Die den Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte hatten alle folgende Gemeinsamkeit:
Es wurden jeweils Möbelstücke, deren Bezugsstoffe keinerlei Lederanteile aufwiesen, sondern die lediglich aus einem Textilgewebe mit Kunststoffbeschichtung oder aber aus einem lederähnlich aussehenden und sich ähnlich anfühlenden PVC-Material bestanden mit der Bezeichnung „Textilleder“ beworben.
Die Entscheidungen
Die Gerichte teilten unsere Auffassung und bejahten ein Unterlassungsanspruch unserer Mandantin gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3; 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Sowohl das Landgericht Bielefeld als auch das Landgericht Würzburg hielten den Begriff „Textilleder“ für irreführend und sahen in seiner Verwendung eine Täuschung über wesentliche Merkmale der Ware im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Landgericht Würzburg
Das Landgericht Würzburg war der Ansicht, dass bei der Benutzung des Begriffs "Textilleder" der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durch-schnittsverbraucher auf die Verwendung von echtem Leder bei der Herstellung des Produkts schließe, was tatsächlich ja nicht der Fall sei.
Nach den gerichtlichen Feststellungen wendet sich die Werbung und der beanstandete Internetauftritt der Beklagten an jeden potentiellen Möbelkäufer, so dass die Würdigung der Bedeutung des Ausdrucks „Textilleder“ ohne Einholung einer Meinungsumfrage von dem angerufenen Gericht selbst, als den allgemeinen Verbraucherkreisen zugehörig, vorgenommen werden konnte.
Das Gericht hielt die Verwendung der Bezeichnung „Textilleder“ für Möbelbezugsstoffe, welche nicht aus gegerbter Tierhaut bestehen, für unzulässig, da der Verbraucher im Unterschied zu dem eindeutigen, denaturalisierenden Begriff "Kunstleder" bei der Verwendung eines zusammengesetzten Begriffs mit „Leder“ den Einsatz von Leder erwartet.
Das Landgericht Würzburg stellte des Weiteren fest, dass das Fehlen der Kennzeichnung „Echt Leder“, mit welcher Produkte oft versehen werden, in der Werbung der Beklagten die bestehende Irreführung nicht ausräumen kann. Denn nach Auffassung des Gerichts wird „Echt Leder“ lediglich von einigen Herstellern eingesetzt, um sich optisch mit einem Symbol vom Kunstleder abzugrenzen.
Wichtig ist die Entscheidung des Landgerichts Würzburg auch deshalb, weil sie sich mit der Frage auseinandersetzt, ob die Kosten einer (vorgerichtlichen) Anwaltsabmahnung (2. Abmahnung), der bereits eine von einem Verband zuvor selbst ausgesprochenen Abmahnung vorausging, ersatzfähig sind.
Diese Frage ist in der Rechtsprechung aufgrund der Klagebefugnis eines Verbandes umstritten. Teilweise wird im Falle eines Verbandes die Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Abmahnkosten generell unter Verweis darauf abgelehnt, dass nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugte Verbände nach ihrer Organisation und Ausstattung selbst in der Lage sein müssen, Wettbewerbsverstöße abzumahnen (und daher anwaltliche Hilfe nicht unbedingt notwendig sei).
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Fotowettbewerb“ (BGH GRUR 1970, 189 – Fotowettbewerb) die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten für die zweite Abmahnung für den Fall bejaht, dass die Beklagte nur unzureichend oder aber gar nicht auf die erste, vom Verband selbst ausgesprochene Abmahnung reagiert. Auch die Oberlandesgerichte Köln, Düsseldorf und München zählen die Kosten einer zweiten Abmahnung durch die Prozessbevollmächtigten eines Verbandes zu den erforderlichen Aufwendungen des Verbandes.
Allerdings hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung aus dem Jahr 2010 nunmehr Gegenteiliges entschieden (BGH GRUR 2010, S. 354 - Kräutertee, Urteil vom ).
Im vorliegenden Fall hat sich das Landgericht Würzburg für die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten der zweiten Abmahnung ausgesprochen. Insoweit hat das Gericht hier festgestellt, dass der Kläger angesichts der abwartenden Reaktion der Beklagten eine zweite Abmahnung durch unsere Kanzlei nicht von vornherein für aussichtslos halten musste.
Landgericht Bielefeld
Das Landgericht Bielefeld hat sich ebenfalls eingehend mit der Problematik der Verwendung des Begriffs „Textilleder“ in der Werbung für Polstermöbel befasst.
Das Gericht hat ausgeführt, dass der Begriff „Textilleder" sich noch nicht so eingebürgert habe, dass er bei Möbelinteressenten allgemein bekannt sei und als Synonym für Kunstleder verstanden werde. Vielmehr sei der Begriff "Textilleder" vielen Verbrauchern noch völlig unbekannt oder aber zwar bekannt, allerdings unklar. Zudem würden Polstermöbel vom maßgeblichen Durchschnittsverbraucher nicht laufend, sondern nur in größeren Zeit-abständen angeschafft, so dass nicht erwartet werden könne, dass der Verbraucher sich laufend mit der Werbung der Werbebranche beschäftige und neue Begriffe sofort zur Kenntnis nehme und richtig verstehe.
Das Landgericht Bielefeld argumentierte ähnlich wie das Landgericht Würzburg und befand, dass allein daraus, dass in der beanstandeten Werbung das Zeichen „Echt Leder“ überhaupt nicht benutzt werde, nicht darauf geschlossen werden könne, der Verbraucher ziehe besondere beschaffenheitsbezogene Schlüsse im Hinblick auf andere Produkte, die mit dem Zeichen "Textilleder" gekennzeichnet seien. Hierzu erklärte das Gericht: „Es kann nicht erwartet werden, dass das Fehlen dieses Zeichens überhaupt bemerkt wird, und auch nicht, dass aus dem Fehlen des Zeichens der Schluss gezogen wird, es müsse sich bei Textilleder um Kunstleder handeln.“
Des Weiteren beschäftigte sich das Gericht mit der Auslegung des Wortes „Textilleder“ und führte aus, dass bei zusammengesetzten Begriffen der deutschen Sprache grundsätzlich der zweite Bestandteil das Grundwort und der erste Bestandteil ein Zusatz ist, der das Grundwort näher bestimmt.
Unter Zugrundelegung dieser Auslegungsregel wäre "Textilleder" ein Leder, das aus Textil besteht oder die Eigenschaften einer Textilie besitzt, und nicht umgekehrt eine Textilie, die die Eigenschaft von Leder hätte. Zutreffend führt das Gericht aus, dass bei dieser Erklärung das Wort „Textilleder“ keinen vernünftigen Wortsinn ergibt, da Leder nicht aus Textil sein kann und dies dem durchschnittlichen Verbraucher auch bekannt ist.
Folglich könne der Verbraucher die Bedeutung von Textilleder nur erraten, mit der Folge dass zahlreiche Verbraucher zu falschen Vorstellungen kommen würden.
So sei es nach Ansicht des Landgerichts Bielefeld nicht fernliegend, „unter Textilleder eine Kombination aus Textilien und Leder zu verstehen oder ein Material, in dem Leder irgendwie enthalten ist, etwa als Ausgangsstoff - wie es bei Lederfaserstoff tatsächlich der Fall wäre -, oder aber ein Leder in Textiloptik. Jedenfalls wird ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher annehmen, dass im Textilleder in der einen oder anderen Weise ein Lederbestandteil enthalten sei.“
Insbesondere seien bei der beanstandeten Internetwerbung Missverständnisse der Verbraucher zu erwarten gewesen, da der Adressat der Werbung keinen Verkäufer um Erklärung des Begriffes bitten könne.
Interessant ist diese Entscheidung des Landgerichts Bielefeld zudem, weil sie sich mit der Frage der Dringlichkeit auseinandersetzt, welche im vorliegenden Fall von der Antragsgegnerin bestritten wurde.
Hierzu hat das Gericht festgestellt, dass die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG hier nicht widerlegt sei, da der Antrag des Verbandes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von dem Wettbewerbsverstoß bei Gericht eingegangen ist.
Hingegen spielt es nach Auffassung der Kammer keine Rolle, dass die Antragsgegnerin schon längere Zeit den Begriff „Textilleder“ in ihrer Werbung verwendet. Dies musste unserem Mandanten nicht bekannt sein, da ihn keine Marktbeobachtungspflicht trifft. Des Weiteren hat das Gericht ausgeführt, dass für die Frage der Dringlichkeit auch die seit längerem erfolgende Verwendung der Bezeichnung Textilleder im Möbelhandel unerheblich ist. Denn Streitgegenstand sei die Werbung der Antragsgegnerin und nicht die Werbung der Möbelbranche. Daher könne die Dringlichkeit eines Vorgehens gegen die Antragsgegnerin nicht bezweifelt werden, nur weil bislang andere Unternehmen der Branche unbehelligt geblieben sind.
Fazit
Die von uns erstrittenen Entscheidungen der Landgerichte Dortmund, Würzburg und Bielefeld sind bislang bundesweit die einzigen zu dem Thema der Zulässigkeit der Verwendung der Bezeichnung „Textilleder“ in der Werbung für Möbel. Sie zeigen deutlich, dass bei der Benutzung von Materialbezeichnungen in der Werbung höchste Sorgfalt geboten ist.
Insbesondere die Anlehnung an Naturprodukte, wie im vorliegenden Fall an Leder, dürfte unzulässig sein, wenn die beworbenen Waren nicht aus dem besagten Naturprodukt bestehen, und dies in der Werbung nicht deutlich klargestellt wird.
Die Entscheidungen des Landgerichts Würzburg und des Landgerichts Bielefeld sind noch nicht rechtskräftig.
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