(ots) - Einen größeren Gefallen als drei folgenschwere
Totalausfälle von Soldaten in kürzester Zeit konnte das US-Militär
den Taliban nicht erweisen. Erst urinieren Soldaten auf tote Taliban,
dann werden Koran-Texte verbrannt und jetzt das Massaker eines
US-Soldaten, bei dem 16 Afghanen getötet werden. Mit diesem Bild des
Amerikaners können die Taliban unzählige junge Menschen rekrutieren.
Mit gezielter Propaganda werden sie erneut von ihrer eigenen Rolle
ablenken. Ein Attentat kommt immer zur Unzeit. Diesmal ist die
Situation aber besonders diffizil. Erstmals zeichneten sich
Fortschritte bei den Verhandlungen über eine strategische
Partnerschaft zwischen den USA und Afghanistan ab. Wie soll der
afghanische Präsident die Kooperation angesichts der Ereignisse vor
seinem Volk rechtfertigen? Hamid Karsai gilt bei vielen Afghanen
sowieso als Schoßhund der USA. Die Vorfälle bringen ihn in
Bedrängnis. Es wird schwer, den misstrauischen Afghanen das Bild des
friedenstiftenden Soldaten zu präsentieren, wenn einer von ihnen
unschuldige Menschen umbringt. Ein herber Rückschlag in einem
Jahrzehnt Aufbauarbeit - von den USA angeführt mit der Strategie
»hearts and minds« - frei übersetzt »Herz und Kopf« - zu gewinnen.
Dieser Marschroute sind sie nicht gerecht geworden - und werden es
auch künftig nicht. Der Ruf nach einem schnelleren Abzug der
Deutschen ist berechtigt. Nach zehn Kriegsjahren und mehr als 2500
gefallenen Nato-Soldaten dominiert Ernüchterung. Die Militärs wollten
Terrorismus bekämpfen und Demokratie bringen. Das ist nicht gelungen.
Nun stiften einige von ihnen sogar selbst Unruhe. Merkwürdig klingen
die Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem
Blitzbesuch. Sie sehe Fortschritte beim politischen
Versöhnungsprozess mit den Aufständischen. Diese seien aber noch
nicht auf einem Stand, bei dem man sagen könne: »Wir können heute
abziehen.« Dieser Zeitpunkt wird wohl nie eintreten - bis 2014 ganz
bestimmt nicht. Eigenartig ist, dass Merkel gestern beim festgelegten
Abzug Verwirrung stiftete, in dem sie das Datum 2014 anzweifelte.
Zumal Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erst kürzlich den Termin
verbal zementierte. Später ruderte sie zurück, untermauerte das Datum
demonstrativ. Reine Symbolhandlung, um die Koalition nicht auch noch
bei diesem Thema zu gefährden. Merkel ist Medienprofi. Eine
Verlängerung des Einsatzes anzudeuten, ist gewagt. So etwas macht sie
nicht ohne Hintergedanken. Klingt nach einem ihrer berühmten
Versuchsballons, um die Stimmungslage zu testen. Sie ermittelt
frühzeitig, ob Deutschland nicht doch bereit wäre, ein paar Jahre
mehr Militärengagement am Hindukusch zu akzeptieren. Applaus vom
Bundeswehrverband gab es umgehend. Merkel müsste es aber eigentlich
besser wissen. Laut Umfragen sagen zwei Drittel der Deutschen: Raus
aus Afghanistan!
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