„Die Rechtschreibung ist zwar sehr wichtig, aber nicht für den Wert eines Menschen“. Mit dieser provozierenden Aussage verblüffte der bekannte Autor und Lesedidaktiker Professor Dr. Kurt Meiers seine Zuhörer. Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer aus dem Raum Backnang, aber auch interessierte Eltern waren aufmerksame Zuhörer des LOS-Symposiums zum Thema "Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb - eine pädagogische Herausforderung".
(firmenpresse) - „Viele Kinder lernen so leicht sprechen, lesen und schreiben, dass oft vergessen wird, wie schwierig es wirklich ist, sich die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu erarbeiten“, so Meiers.
Es sei nur natürlich, dass Eltern, deren Kinder Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben hätten sich um die Zukunft Ihrer Kinder Sorgen machten. Alle Eltern wüssten heute, wie sehr - manchmal zu sehr – „diese Bereiche über die schulische Laufbahn und den beruflichen Werdegang Ihres Kindes entscheiden“. Viele Eltern, deren Kinder in diesen Bereichen dauernde Schwierigkeiten haben, suchen deshalb nach Hilfen für ihre Kinder, was ebenfalls ganz natürlich sei.
Eine erfolgreiche Therapierung der Lese-/Rechtschreibschwäche müsse sich unbedingt an den Symptomen orientieren, die bei der Auseinandersetzung mit der Schrift in Erscheinung treten, betonte Meiers. Sie müsse sich am sogenannten Schriftspracherwerbsmodell orientieren. „Lesen lernt man durch Lesen und Schreiben durch Schreiben“. Waldemar von Suchodoletz habe in seinem Buch „Therapie der LRS – Traditionelle und alternative Behandlungsmethoden im Überblick“ zu allen Therapieangeboten kritisch Stellung genommen. Dort, so Meiers, finde sich auch ein Beitrag von Gerd Mannhaupt, in dem es heißt: „Aus den Befunden der vorliegenden Interventionsstudien lässt sich auf allgemeinem Niveau die Empfehlung ziehen, die Förderung von lese-/rechtschreibschwachen Kindern klar auf die kognitiven Anforderungen des Lerngegenstandes Schriftsprache zu richten. Es erscheint wenig hilfreich, gegenstandsferne, allgemeine kognitive oder neurologische Ansatzpunkte für die LRS-Förderung zu wählen.“ Damit, so betonte Meiers, sei das Wesentlichste zum Ausdruck gebracht, „weshalb wir eine pädagogische Therapierung brauchen“.
Klar sei, dass Rechtschreibung bedeute, sich an vorgegebene gesellschaftliche Normen zu halten. Daher müsse man die Thematik zunächst gelassener betrachten: „Die Rechtschreibung ist ein relativ willkürliches Produkt, das von vielen Zufälligkeiten begleitet ist. Es gibt Wesentlicheres als die Rechtschreibung. Sie ist durchaus wichtig, aber nicht für den Wert eines Menschen“.
Die Beherrschung der Rechtschreibung ermögliche das schriftliche Fixieren von Gedanken nach den festgelegten Normen. „Die Beherrschung der Rechtschreibung verbessert jedoch noch keinen Gedanken“.
Ohne einen bestimmten Wortschatz gelinge das Lesen und Schreiben nicht. Die Schrift, so erfuhren die Teilnehmer, bilde die Sprache immer nur oberflächlich ab. „Zur Sprache gehören zum Beispiel auch Elemente wie Lautstärke, Rhythmus, die Dynamik des Sprechens, die Betonung und die Artikulation“. Diese Elemente müssen nach Meiers aus dem Inhalt heraus entwickelt werden.
Man müsse daher auch verstehen, dass Rechtschreiben nur ein Element des Schreibens sei. Zum Schreiben gehöre zum Beispiel auch Gedankenführung, die Gliederung und Strukturierung bis hin zu wissenschaftlichen Vereinbarungen, wie die richtige Zitierweise. Daraus, so Meiers, ergeben sich sehr vielfältige Lernaufgaben: „Das Entscheidende beim Schriftspracherwerb ist, dass kognitive Prozesse aufgebaut werden müssen. Es ist notwendig, diese kognitiven Prozesse zu automatisieren. Deshalb muss geübt werden. Üben ist unverzichtbar“. Auch die moderne Hirnforschung unterstreiche diese auf den ersten Blick banal klingende Tatsache.
Meiers appellierte an seine Zuhörer, Kinder mit Problemen bei Lesen und Schreiben nicht alleine zu lassen: „Kinder vollbringen beim Erwerb der Schriftsprache eine großartige Leistung. Wenn es uns gelingt, Kindern die Rechtschreibung je nach ihren geistigen Fähigkeiten zu vermitteln und sie erfolgreich sein zu lassen, dann haben sie das Erlebnis, etwas zu sein und etwas zu können. So tragen wir auch ein Stück zum Glück in der Welt bei“.
Eltern, deren Kinder Probleme im Deutschunterricht haben, können am Samstag, dem 24. März, die Lese-/Rechtschreibleistung ihres Kindes kostenlos testen lassen. Interessierte Eltern können unter der Telefonnummer 07191 3401992 einen Testplatz reservieren. Informationen auch unter www.los-backnang.de.