Ein Bewerber hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Auskunft darüber, warum seine Bewerbung nicht erfolgreich war. Allerdings kann die Verweigerung jeglicher Auskunft für die Frage einer etwaigen Diskriminierung zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des potentiellen Arbeitgebers führen.
(firmenpresse) - Der Europäische Gerichtshof hatte auf eine Vorlage des Bundesarbeitsgerichts über die Frage zu entscheiden, ob auf Grundlage europarechtlicher Vorgaben ein Bewerber einen Anspruch auf Auskunft darüber hat, ob der Arbeitgeber eine im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens ausgeschriebene Stelle am Ende tatsächlich besetzt hat. Die russische Klägerin, Jahrgang 1961, ist Inhaberin eines russischen Diploms als Systemtechnik-Ingenieurin, dessen Gleichwertigkeit mit einem deutschen Fachhochschuldiplom anerkannt wurde. Die beklagte Arbeitgeberin veröffentlichte in der Presse eine Stellenanzeige für „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/in“, auf die sich die Klägerin am 05.10.2006 bewarb. Mit Schreiben vom 11.10.2006 lehnte die Beklagte die Bewerbung ab, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben. Die Klägerin bewarb sich in der Folgezeit erneut auf eine im Internet erschienene zweite Stellenanzeige, deren Inhalt dem der ersten Anzeige entsprach. Die zweite Bewerbung wurde auf gleiche Weise abgelehnt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft als Bewerberin abgelehnt worden sei. Sie hatte deshalb Klage beim ArbG erhoben und verlangt, die Beklagte zu verpflichten, ihr die Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers vorzulegen und die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.000 EUR zu zahlen.
Nachdem die Klagen beim ArbG und LAG erfolglos geblieben waren, hat das BAG auf die Revision der Klägerin hin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und den EuGH anzurufen.
Der EuGH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass weder Art. 8 I RL 2000/43/EG, Art. 10 I RL 2000/78/EG noch Art. 19 I RL 2006/54/EG einen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehe, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat und, wenn ja, aufgrund welcher Kriterien.
Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen ein Gesichtspunkt sein könne, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen heranzuziehen sei, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
EuGH, Urteil vom 19.04.2012 - C-415/10
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