(ots) - Als die EU-Kommission und die Bundesregierung
unter Kanzler Gerhard Schröder im Frühjahr 2000 die Aufnahme
Griechenlands in die Eurozone befürworteten, waren ihnen mehr Risiken
eines solches Schrittes bekannt, als bisher publik wurde. Wie das
Magazin stern in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe
berichtet, geht dies aus internen Akten des Bundeskanzleramtes und
der EU-Kommission hervor. So hatte das EU-Statistikamt Eurostat
bereits im Frühjahr 1999 in zwei Schreiben die Brüsseler
Kommis-sionsbehörden über möglicherweise manipulierte griechische
Defizitzahlen informiert. Diese Warnungen wurden jedoch damals von
der Kommission zurückgewiesen.
So schrieb ein Direktor von Eurostat am 12. Mai 1999 einem
Mitarbeiter des damals für Wirtschaft und Währung zuständigen
EU-Kommissars Yves-Thibault de Silguy, dass die griechische Regierung
offenkundig die milliardenschweren EU-Transferzahlungen an Athen dazu
nutze, in unzulässiger Weise ihre Budgetzahlen zu frisieren. Am 1.
Juni 1999 wies auch der damalige Eurostat-Chef Yves Franchet den
Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission in
Brüssel auf dieses Problem hin. Dieser antwortete in einem dem stern
vorliegenden Brief: "Ich gehe davon aus, dass Eurostat weder
rechne-rische Korrekturen plant, noch die Debatte über dieses Thema
fortzusetzen wünscht."
Auch dem Kanzleramt in Berlin lagen Anfang 2000 eine ganze Reihe
kritischer Vermerke aus der EU-Kommission zu den Schwächen der
griechischen Volkswirtschaft vor. Die Brüsseler Experten verwiesen
bereits damals auf die vergleichsweise geringen Industrie-exporte des
Balkanstaates, auf ein "sehr großes Defizit" in der Handelsbilanz und
eine hohe Abhängigkeit von EU-Subventionen in der Rekordhöhe von fünf
Prozent des Brut-toinlandsproduktes. Sie sprachen überdies von
"Warnsignalen" bei der Wettbewerbsfä-higkeit und von einer durch den
Euro-Beitritt drohenden stärkeren Inflation. Auf den möglichen
ökonomischen "Schock", den der Beitritt zur Währungsunion auslösen
werde, sei Griechenland bisher nicht vorbereitet.
Bisher hatte Schröder in der Frage der Aufnahme Griechenlands
stets auf das positive Votum der EU-Kommission verwiesen. Fragen des
stern zu den neuen Erkenntnissen ließen Schröder wie die Kommission
unbeantwortet.
Pressekontakt:
Gruner+Jahr, stern
Hans-Martin Tillack
Telefon: 030-20224-240
tillack.hans-martin(at)stern.de