(ots) - Das Prädikat historisch hat Zyperns EU-Vorsitz
schon verdient, bevor er richtig beginnt: im negativen Sinne. Denn
der Inselstaat soll die Gemeinschaft führen, obwohl er selbst
Euro-Rettungshilfen zum Ãœberleben braucht. Das hat es noch nie
gegeben. Ausgerechnet ein Ertrinkender muss die Währungsunion vor dem
Untergang retten. Unglücklicher geht's kaum. Sechs Monate Stillstand
kann Europa sich in Zeiten der Schuldenkrise nicht leisten. Ganz so
schlimm wird es auch nicht kommen. Denn die halbjährlich rotierende
Präsidentschaft hat nicht mehr viel Macht seit es den ständigen
Ratschef Herman van Rompuy gibt. Der Kampf gegen die Schuldenkrise
wird maßgeblich von ihm, der Eurogruppe, der Kommission, der
Europäischen Zentralbank und den großen Hauptstädten geführt. Zum
Glück. Dennoch rächt es sich jetzt, dass der Länderwechsel an der
Spitze der gesetzgebenden Fachministerräte im Vertrag von Lissabon
überhaupt beibehalten wurde, um auch den Kleinen in der Gemeinschaft
mal die prestigeträchtige Führungsrolle zu überlassen. Denn Zypern
hat nicht die Kraft, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Kaum einer
glaubt, dass sich beim brennenden Thema Finanzplanung unter dem
Vorsitz Nikosias etwas tut. Es geht um rund eine Billion Euro von
2014 bis 2020. Dass der Ministaat im knallharten Kampf der Großen um
Pfründe vermitteln kann, ist pures Wunschdenken. Auch diplomatisch
ist der Vorsitz äußerst heikel. Es droht Krach mit Ankara. Mehr als
ein Drittel des Bodens Zyperns ist seit 1974 von türkischen Truppen
besetzt. Ankara erkennt die Republik Zypern nicht an. Eine
Verhandlungslösung im Streit um die geteilte Insel ist nicht in
Sicht. Und nicht zuletzt konkurriert die EU in Zypern mit Russland.
Moskau alimentiert den kommunistischen Staatspräsidenten Dimitris
Christofias großzügig mit Krediten. Südlich der Insel unter dem
Meeresboden liegen riesige Erdgasvorkommen, auf die der Kreml
spekuliert. Die EU wiederum versucht ihre Abhängigkeit von
Gas-Importen aus Russland zu reduzieren. Klar ist also: Zyperns
Präsidentschaft wird ein Vorsitz voller Probleme. So zynisch es
klingt. Das Klügste wäre, den Inselstaat so wenig wie möglich machen
zu lassen und auf die Rolle des Grüßaugusts zu reduzieren. Das Motto
muss lauten: Schadensbegrenzung aus Selbstschutz. Damit wäre Europa
am ehesten gedient.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion(at)Weser-Kurier.de