(ots) - Schon der Streit um die Kartoffelsorte »Linda« vor
wenigen Jahren konnte eine Ahnung von den realen Machtverhältnissen
in der Landwirtschaft vermitteln. Nach 30 Jahren wollte der Züchter
der Sorte mit einer neu zugelassenen Sorte Kasse machen, die beliebte
»Linda« störte und sollte vom Markt. Erst der konzertierte Widerstand
von Bauern, Spitzenköchen und TV-Prominenz sorgte für eine Lösung des
Konflikts. Doch für viele andere Nutzpflanzensorten gibt es weder
eine so große Lobby noch eine so große Anbaufläche, dass sich der
Aufwand einer amtlichen Sortenzulassung lohnt. Ob das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs hier tatsächlich Abhilfe schafft, bleibt
abzuwarten. Auch nach diesem Urteil sind Gärtner und Landwirte also
noch keineswegs frei in ihrer Entscheidung über die angebauten
Sorten. Die Urteilsbegründung lässt vermuten, dass es bei
wirtschaftlich wichtigen Getreidesorten neuerlichen Rechtsstreit
geben wird. Die EU will offenbar - als Erfüllungsgehilfin der
Saatgut- und Agrochemiekonzerne - die biologische Vielfalt bei
Nutzpflanzen nur im kleinen Rahmen schützen. Mit einem Sortenrecht,
das Buntheit nur als exotische Ausnahme zulässt, wird jedenfalls
gezielt die Entstehung eines nicht von Konzernen beherrschten
Saatgutmarkts verhindert. Dabei ist die Zulassungsfrage nicht der
einzige Streitpunkt beim Sortenrecht. Kaum weniger ärgerlich sind die
vor einigen Jahren in einigen EU-Staaten eingeführten Nachbaugebühren
für die Aussaat selbst gezogener Samen von zugelassenen
Industriesorten.
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