Im Wege der Verwirklichung der Europäischen Union und deren Ziele erlangen Verträge und damit auch grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten einen immer größeren Stellenwert. Bei einer Fülle von 27 europäischen Mitgliedsstaaten und damit einer halben Milliarde Einwohner ist die Zahl der Rechtsstreitigkeiten im zivilrechtlichen Bereich mit Auslandsbezug immens.
(firmenpresse) - Insbesondere der Verbraucherschutz und dessen Weiterentwicklung steht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten an erster Stelle.
Dies unterstreicht auch die Brüssel-I-Verordnung (Verordnung (EG) 44/2007), wonach den Verbrauchern der Zugang zur Justiz, insbesondere durch geographische Nähe zum zuständigen Gericht erleichtert werden soll.
Mit dem jetzt ergangenen Urteil im Wege des Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, Urteil vom 06.09. 2012, Az. C-190/11) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut klargestellt, dass der Verbraucher als schwächster Vertragspartner in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten zu schützen ist.
Gegenstand dieses Verfahrens war eine Auslegungsfrage im Bezug auf § 15 Abs. I Buchst. c der Brüssel-I-Verordnung (Zuständigkeit bei Verbrauchersachen).
Zuständigkeit bei Verbrauchersachen
Artikel 15
(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,
c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Hiernach war dahingestellt, ob § 15 Abs. I Buchst. c der Brüssel-I-Verordnung nur dann Anwendung findet, wenn ein Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wird.
Mit seiner Entscheidung vom 6. September 2012 hat der EuGH diesbezüglich festgestellt, dass die Norm dahingehend auszulegen ist, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, ausländische Gewerbetreibende vor inländischen Gerichten zu verklagen, auch wenn der streitige Vertrag nicht im Fernabsatz geschlossen wurde.
Gemäß dem Gesetzeswortlauf des § 15 Abs. I Buchst. c der Brüssel-I-Verordnung setzt dies jedoch voraus, dass der Gewerbetreibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausübt und, dass der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Damit schließt der Umstand, dass der Verbraucher sich zum Vertragsschluss in den Mitgliedstaat des Unternehmers begibt und gerade keinen Fernabsatzvertrag schließt, die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates des Verbrauchers nicht aus.
Ausschlaggebend für die Entscheidung des EuGH war neben dem Wortlaut des § 15 Abs. I Buchst. c der Brüssel-I-Verordnung, (wonach die Anwendbarkeit nicht eindeutig davon abhängig gemacht wird, dass Verträge im Fernabsatz geschlossen werden), auch der Rechtssinn der Norm. Legt man die Norm gemäß Sinn und Zweck aus, so liegt dieser gerade darin, den Schutz des Verbrauchers als schwächere Vertragspartei zu gewährleisten. Das Erfordernis, dass der Vertrag im Fernabsatz geschlossen werden muss, würde damit ein Hindernis für den Verbraucher darstellen und ist damit vom Gesetzgeber nicht gewollt.
Fazit
Stellt sich die Frage nach dem zuständigen Gerichtsstand bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern mit internationalem Bezug, so stellt der Umstand, dass der Vertrag nicht im Fernabsatz geschlossen wurde, kein Hindernis für die Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedsstaates des Verbrauchers, dar. Der Verbraucher kann damit auch in seinem Heimatstaat vor Gericht ziehen.
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