(firmenpresse) - von Stefanie Kratzsch- OPTIMUS Redaktion
Wie wird sich mein Nachwuchs ohne zweites Elternteil entwickeln? Was tragen meine Gene zur Entfaltung meines Kindes bei? Jedes Elternteil sah sich bereits mit solcherlei Fragen konfrontiert. Die Thematik des Familienkonzepts und der Kindererziehung hat in einer Welt von Hartz IV und 1.833.000 Alleinerziehenden deutschlandweit an Aktualität gewonnen. Nicht nur in der Gegenwart, auch in der Vergangenheit, thematisieren familiäre Verhältnisse schriftliche Quellen. Diesbezüglich tritt in der mittelalterlichen Literatur das Motiv der Eltern-Kind-Beziehung häufig auf, beispielsweise im Hauptwerk Wolframs von Eschenbach „Parzival“.
Namenhafte Mediävisten und Historiker erforschten die Rolle des Kindes im Mittelalter, allen voran Philippe Ariès, dessen Ergebnisse als bahnbrechend auf diesem Gebiet gelten. Ariès bewies, dass vor dem 16. Jahrhundert keinerlei Vorstellungen zur Kindheit existierten. Bis zum siebten Lebensjahr war der Nachwuchs abhängig von seinen Eltern, danach wurde der Abkömmling übergangslos als Erwachsener angesehen und behandelt. Der Grund dafür liegt im damaligen Familienkonzept. Die Produktion von Nachkommen und der Fortbestand von Name und Besitz ersetzen Fürsorge und elterliche Zuneigung. Die Eltern-Kind-Beziehung stützte sich deshalb auf das Lehrherr-Lehrling-Prinzip.
Mathias Donfouet beschäftigt sich in seiner Masterarbeit mit den genealogischen Strukturen im Roman ,Wigalois‘ Wirnts von Grafenberg aus dem 13. Jahrhundert. Das vorherrschende mittelalterliche Familienprinzip wird in diesem Werk mehrfach aufgegriffen. Neben allerhand Familienkonstellationen stellt Wirnt von Grafenberg auch Bewertungen eben dieser an. Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Werdegang des Gawein und seines Sohnes Wigalois. Der Vater verlässt Frau und Kind, um Ritter der Tafelrunde zu werden. Trotz väterlicher Abwesenheit wächst der Sohn zu einem vollkommenen, frommen Helden heran. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern bestimmen den Erzählstrang und werden in aller Deutlichkeit beschrieben. Dieser Roman eignet sich daher besonders für literaturwissenschaftliche Familienforschungen.
Welche Rolle spielt die Abstammung im Leben eines Kindes und wie spiegelt sich das mittelalterliche Konzept der Familie im Werk wieder? In der vorliegenden Masterarbeit werden anhand philologischer Untersuchungen diese und ähnliche Fragen für das Werk des Wirnts von Grafenberg beantwortet. Nicht nur die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern, sondern auch deren Darstellungen im Erzähltext werden herausgestellt. Des Weiteren werden spezifische Geschlechterrollen aufgegriffen und analysiert. Neben der Haupthandlung treten in der Nebenhandlung weitere Figuren auf, deren Familienkonstellationen ausgearbeitet werden.
Mathias Donfouet steuert gerade auf diesem Gebiet neue, wichtige Erkenntnisse bei und gibt der Mediävistik neue Forschungsimpulse. Der Autor leistet mit seiner Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur Kultur des Mittelalters und bietet nicht nur einem Fachpublikum eine empfehlenswerte Lektüre, sondern auch jedem Leser, der eine Affinität zur mittelhochdeutschen Literatur besitzt.
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