(ots) - Als der Anfang März aus dem Amt scheidende
tschechische Präsident Vaclav Klaus Mitte der Woche seinen
Abschiedsbesuch in Berlin machte, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel
gerade mal 15 Minuten für ihn Zeit. Das ist die unterste Grenze, die
das diplomatische Protokoll für solche Treffen vorsieht. Und dieses
Viertelstündchen sagt etwas über das Maß an Wertschätzung, das Klaus
in Deutschland genießt. In Berlin wie auch bei der Europäischen Union
in Brüssel ist man froh, dass die Tage des amtierenden tschechischen
Präsidenten im Amt nun gezählt sind. Zehn Jahre ist der scheidende
Prager Burgherr mit aller Macht gegen den Strom geschwommen. Er hat
die EU attackiert, wann und wo er konnte. Die Brüsseler Direktiven
seien kein Deut besser als früher die aus dem Moskauer Kreml,
wetterte er. Er hat den Lissabon-Vertrag zur Reform der Europäischen
Union erst in allerletzter Minute unterzeichnet und sieht im Euro
nichts anderes als Teufelszeug. Tschechien hat unter Vaclav Klaus
zwar gern EU-Milliarden genommen, umgekehrt aber jedwede Solidarität
verweigert. So macht man sich nicht eben beliebt bei den Partnern. Es
wird nicht leicht für den Klaus-Nachfolger, der an diesem Wochenende
gewählt wird, das ramponierte Image der Tschechen als den "Briten des
Ostens" zu verbessern. Zumal die Tschechen unter dem Einfluss des
scheidenden Präsidenten EU-skeptisch wie nie geworden sind. Es gilt
als Konsens im Land, dass die Einführung des Euro nur über eine
Volksabstimmung gehen werde. Und jeder weiß, dass jene heute mit
Pauken und Trompeten gegen die Gemeinschaftswährung ausfiele.
Immerhin gibt es einen Lichtblick: Auf der Prager Burg soll künftig
neben der tschechischen auch die EU-Flagge wehen. Das hätte es unter
Klaus im Traum nicht gegeben. Jeder Aufbruch in Prag in eine neue
Richtung wird mühsam sein. Aber das mit der Fahne auf der Burg wäre
immerhin schon mal der sichtbare Beginn eines solchen Aufbruchs.
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