(ots) - Ägyptens Muslimbrüder haben mit ihrem Kurs der
Re-Islamisierung einen großen Stein ins Wasser geworfen. Dessen
Wellen versetzten die Grundpfeiler des sich gerade herausbildenden
neuen Gesellschaftsgefüges nicht nur in temporäre Schwankungen,
sondern lösten ein politisches Erdbeben aus, das noch immer anhält.
Wenn aber das Zentrum der arabischen Nation vibriert, lassen die
Ausläufer früher oder später auch der Nachbarn politische Gefüge
erzittern, vor allem in den anderen Transitionsländern des
sogenannten Arabischen Frühlings. Nun also Tunesien. Dort allerdings
überrascht die Heftigkeit, mit der ein politischer Mord nicht nur das
betroffene linke Spektrum zum Kochen gebracht hat, sondern gleich die
Regierung strauchelt. Warum? Zwei Ursachen sind denkbar. Erstens: Die
Stabilität des Kabinetts war geringer, als es von außen schien; und
zweitens: Der Regierungschef hat beim Crash etwas nachgeholfen. Für
Letzteres spricht etwas mehr. Ministerpräsident Jebali hat in seiner
einjährigen Amtszeit niemals erkennen lassen, dass ihm, obwohl der
islamischen Partei Ennahda zugehörig, etwa - wie regierenden
Glaubensbrüdern anderenorts - der Sinn nach Re-Implantierung
mittelalterlicher Rechtsvorschriften steht. Aber andere in seinem
Kabinett dachten wohl so, und deren radikal-islamische Anschauungen
mögen die Mörder zumindest ermutigt haben. Jebali sieht wohl eine
Gelegenheit, diese loszuwerden. Das aber könnte ihn selbst zu Fall
bringen.
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