(ots) - Der frühere Präsident des italienischen
Abgeordnetenhauses, Fausto Bertinotti, sieht das politische System
Italiens in der Krise. "Soziale Bewegungen, alternatives Denken, die
Zurückweisung der Sparpolitik Montis werden in diesem Wahlkampf kaum
repräsentiert", sagt Bertinotti im Interview mit der Tageszeitung
"neues deutschland" (Samstagausgabe) mit Blick auf die am Sonntag und
Montag stattfindende Parlamentswahl in Italien. Bertinotti, der von
1994 bis 2006 Vorsitzender der Rifondazione Comunista war, wirft der
Regierung von Mario Monti vor, ein "neues politisches Regime"
konstituieren zu wollen.
Auch die Linke stecke in der Krise. "Zum ersten Mal in der
italienischen Nachkriegszeit wird der Massenprotest nicht mehr von
der Linken repräsentiert, sondern von einer neuen Bewegung, der
Begriffe wie »Klassen« oder »Klassenauseinandersetzungen« fremd
sind", so Bertinotti. "Die aktuellen Verhältnisse würde ich im Sinne
Karl Polanyis als »große Transformation« bezeichnen."
Den Erfolg von Beppe Grillo und seiner "Bewegung 5 Sterne"
betrachtet der 72-Jährige als Quittung für die etablierte Politik,
die Linke und die Gewerkschaften. Dass Silvio Berlusconi in den
letzten Umfragen wieder zulegen konnte, kommentiert Bertinotti mit
den Worten: "Für Italien geht es nicht mehr um Berlusconi, sondern
darum, wie das Land in die neuen europäischen Strukturen, das heißt
den Fiskalpakt, das Schuldenregime eingepasst wird." Wir erlebten
zurzeit "die Errichtung eines Europas des globalen
Finanzkapitalismus".
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