(ots) - Wer schon einmal eine Regierung gestürzt hat,
erinnert sich nur allzu gern daran, könnte man meinen. Nicht immer
aber ist dies der Fall. So besinnt sich die portugiesische
Protestbewegung, die seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise
stetig gewachsen ist, derzeit lieber auf die Nelkenrevolution als die
Folgen ihres Massenprotests vor zwei Jahren. Während 1974 die
Diktatur gestürzt werden konnte, kam es vor knapp zwei Jahren, am 23.
März 2011, zwar zum Rücktritt des sozialistischen Ministerpräsidenten
José Sócrates. Doch der Umsturz blieb aus. Schlimmer noch, Neuwahlen
brachten die konservativ orientierten Sozialdemokraten der PSD an die
Macht, die die verordnete Sparpolitik umsetzt. Daran änderte auch
kürzlich im Parlament gezeigter Protest nichts. Ein paar Dutzend
Zuschauer stimmten die Hymne der Nelkenrevolution an, während Premier
Pedro Passos Coelho am Rednerpult stand. Der hatte dafür nur ein
müdes Lächeln übrig. Ob ihn die Massen, die am Sonnabend landesweit
auf die Straßen gegangen sind und vielerorts »Grândola, Vila Morena«
sangen, berühren, bleibt daher fraglich. Dass das Lied dieser Tage
gesungen wird, bestätigt aber den Glauben der Menschen an die
Möglichkeit des Wandels. Diese Hoffnung sollte nicht nur den immer
umfassenderen Protest in Portugal beflügeln, sondern auch die
progressiven Kräfte in anderen Ländern. Die Hymne für eine
europaweite Revolte ist indes noch nicht gefunden.
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