(ots) - Wer zu spät kommt, den bestraft - nicht nur das
Leben, sondern auch die deutsche Justiz. Dies ist die simple
Rückzugslinie, die sich das Oberlandesgericht München zurechtgelegt
hat, um der heftigen Kritik an der Presseplatzvergabe beim Mitte
April beginnenden NSU-Prozess zu widerstehen. Es stimmt: Die
begrenzte Kapazität im Gerichtssaal war bekannt, da hieß es für alle
Medien, sich hurtig anzumelden. Spät aufstehen ist keine zu
empfehlende Angewohnheit in der Pressebranche. Aber das eingetretene
Dilemma darauf zu reduzieren, haucht den staubigen Atem einer
vorgestrigen, den psychologischen und gesellschaftlichen Beiklang
dieses Prozesses nicht wahrnehmen wollenden Verweserei - wie man
schweizerisch eine Verwaltung nennt. Acht Opfer des Neonazi-Terrors
hatten eine türkische Herkunft. Dass türkischen Medien eine
Prozessberichterstattung aus dem Gerichtssaal heraus garantiert sein
muss, gebietet jenseits aller Formalitäten die Vernunft. Nun hat das
Gericht auch Vorschläge abgelehnt, die das Dilemma zumindest mildern
wollten. Weder darf die »Bild«-Zeitung ihren Platz der mit dem
Springer-Verlag verbundenen türkischen »Hürriyet« abtreten, noch das
»neue deutschland« den seinen als kollegiales »Sharing-Modell« mit
einem türkischen Medium teilen. Damit offenbart das Münchener Gericht
einen Komplettausfall
seines psychosozialen Nervensystems. Es
muss sich den Vorwurf gefallen lassen, der polizeilichen Pannenserie
bei der Aufklärung der Verbrechen nun auch noch eine der Justiz
anzufügen.
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