(ots) - Erdogan versucht es mit Zuckerbrot und Peitsche,
allerdings in umgekehrter Reihenfolge und mit der unverhohlenen
Erwartung, dass es der Süßspeise in Gestalt eines Dialogs dann nicht
mehr bedarf. Der Ministerpräsident hofft, dass sein gestriger
Peitschenknall kräftig genug war, mit dem er den Unbotmäßigen seine
Demokratieauffassung in den Rücken brannte. Vermutet werden darf
auch, dass Abgesandte der Bürgervertreter wenig Appetit auf
türkischen Honig der Geschmacksrichtung Tränengas verspüren, denn an
dieser Note des Menüs für seine Gäste ließ Erdogan gestern wenig
Zweifel. Außerdem: Was sonst könnte jemand wie Erdogan meinen, wenn
er noch vor dem erstmaligen Bequemen zu Gesprächen verkündet, dass
das Ende der Toleranz bereits erreicht sei? »Welche Toleranz?« werden
sich die Niedergeknüppelten fragen, und werden ziemlich überrascht
sein über die Antwort, die der EU darauf eingefallen ist. Die
Eurokraten wollen sich offenbar mit einem recht nachhaltigen Beispiel
für das autistische Eigenleben ihrer politischen Institutionen in die
Sommerpause verabschieden: Sie haben ausgerechnet gestern
angekündigt, noch in diesem Monat ein »neues Verhandlungskapitel im
Beitrittsprozess der Türkei zur EU« zu eröffnen. Darf es da schon als
Fortschritt gelten, wenn einem EU-Diplomaten die Erleuchtung kam,
dass manche Staaten darüber »möglicherweise derzeit nicht besonders
enthusiastisch« sind?
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