(ots) - Die Situation Edward Snowdens auf dem Moskauer
Flughafen steht als Symbol für die Krise, die durch seine
Enthüllungen entstand. Alles hängt in der Luft. Das Schicksal des
passlosen NSA-»Whistleblowers« ebenso wie das transatlantische
Verhältnis. Nur soviel ist klar: Amerikas Schlapphüte haben über die
Stränge geschlagen und dabei den Freunden in Europa vor den Kopf
gestoßen. Das muss Konsequenzen haben. Die Schnüffeleien als »ganz
normal« abzutun, wie es US-Präsident Barack Obama und Außenminister
John Kerry versuchen, lässt vermuten, dass Washington den Ernst der
Lage noch nicht begriffen hat. Das mag daran liegen, dass es im
eigenen Land kaum Gegenwehr gegen die Exzesse der Geheimdienste gibt.
Ein Blick auf die sogenannte »Hitzekarte« des NSA verdeutlicht das
Problem. Von hellgrün bis dunkelrot zeigt die geheime Grafik, wo am
intensivsten geschnüffelt wird. Deutschland taucht hier dunkelgelb
auf, wie China und die USA selbst. Der Geheimdienst greift die Daten
ab, wo sie anfallen. An den wichtigsten Knotenpunkten. Dass dabei
US-Bürger mit ins Schleppnetz geraten, juckt die Spione kaum mehr als
die Empfindlichkeiten der Europäer. Das ist der Preis der Paranoia,
die seit dem 11. September eine Krake wachsen ließ, die im Namen der
Sicherheit ein gefährliches Eigenleben führt. Ohne wirkliche
Kontrolle durch Kongress oder Justiz. Das im Geheimen tagende
FISA-Gericht ist eine Farce. Es hört nur die Argumente der Regierung
und hat seit 2001 von 15 000 Anträgen ganze zehn abgelehnt. Viele
Bewohner des Landes der angeblich so »Freien« und »Mutigen« nehmen
selber für ein bisschen mehr Sicherheit die Schnüffeleien ihrer
Geheimdienste hin. Sie können nicht nachvollziehen, warum gerade die
Deutschen Untertanen-Geist wittern, wenn es heißt: Wer nichts zu
verbergen habe, brauche auch nichts befürchten. Obama kommt in den
USA mit verbalen Rückversicherungen davon. Das wird im Verhältnis zu
Europa nicht reichen. Und es wäre eine folgenreiche Unterschätzung
der Sensibilitäten. Das gilt auch für den weiteren Umgang mit
Snowden. Für die Supermacht mag er ein Verräter sein. Dem Rest der
Welt und der Demokratie hat er einen Gefallen getan. Dass er auf dem
Moskauer Flughafen festsitzt, ist so tragisch, wie die fehlende
Einsicht Washingtons in die Arroganz des eigenen Verhaltens. Auch
wenn Deutschland und eine Reihe weiterer Staaten abgesagt haben:
Politisches Asyl für den im Niemandsland Gestrandeten sollte nicht
per se ausgeschlossen werden. Zumal er als Kronzeuge gegen Personen
in Frage kommt, die nach den Gesetzen verschiedener Staaten in Europa
Straftaten begangen haben. Aufgrund bestehender Abkommen mit den USA
droht ihm langfristig die Auslieferung. Obama sollte Snowden eine
Brücke bauen. Damit könnte er nicht nur verlorenes Vertrauen in
Europa zurückgewinnen. Es ist auch seine beste Chance, weitere
Veröffentlichungen einzudämmen.
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