(ots) - Das Ende des Mammutprozesses gegen den sogenannten
Geheimbund Ergenekon lässt viele Türkei-Beobachter so klug wie zuvor
zurück. Und das nicht nur, weil es schon schwer genug ist, ein
Verfahren gegen 275 Angeklagte auf fast 40 000 Seiten Gerichtsakten
zeitlich zu verfolgen. Nach wie vor bleibt unklar, was genau an den
Putsch-Vorwürfen zum Sturz der islamisch-konservativen Regierung von
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dran ist. Waren zunächst vor
allem Militärs angeklagt worden, verlängerte sich die Liste von
Verdächtigen mit den Jahren um Politiker, Akademiker und
Journalisten, die vom Verfahren berichteten. Dass einige von ihnen
über Jahre in Untersuchungshaft saßen und immer wieder
Ungereimtheiten im Beweismaterial bekannt wurden, lässt Zweifel an
der Unabhängigkeit der Justiz aufkommen und schürt
Verschwörungstheorien - als wäre der Bezug zur Ergenekon-Legende bei
der Bezeichnung des vermeintlichen Putsch-Netzwerks der
Rätselhaftigkeit nicht genug. Die Durchsetzung transparenter, rascher
und zielgerichteter Gerichtsverfahren ist der einzige Weg, wie
Erdogan wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen könnte. Chancen dafür gibt
es derzeit genügend. Zahlreiche Journalisten, Oppositionelle und
deren Anwälte stehen wegen Terrorverdacht vor Gericht. Doch das
Vorgehen der Regierung gegen ihre seit Ende Mai vor allem um den
Gezi-Park in Istanbul protestierenden Kritiker lässt kein Ende solch
mystischer Urteile erahnen.
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