(ots) - Man kann es das Irak-Syndrom nennen: Barack Obama
wird lange nachdenken, in aller Ruhe abwägen, wochenlang im Kreis
seiner Berater diskutieren, bevor er sich entschließt, gut zehn Jahre
nach dem Einmarsch in Bagdad im Nahen Osten noch einmal Amerikas
militärische Macht zu demonstrieren. Kein Zweifel, mit all seinen
Reflexen sträubt er sich dagegen. Und zu Schnellschüssen neigt dieser
US-Präsident nicht, schon gar nicht, wenn es um die Entsendung von
Truppen in eine Krisenregion geht, in einen Sumpf, in dem man schnell
auf Jahre versinken kann. Lieber redet er über Studentenkredite als
über syrische Chemiewaffen, was allein schon signalisiert, wo seine
Prioritäten liegen - in Atlanta und Denver, nicht in Aleppo und
Damaskus. Obama steht dafür, die Männer in Uniform nach Hause zu
bringen, erst aus dem Zweistromland, dann, bis 2014, aus Afghanistan.
Er steht für "America First", für einen Schlussstrich unter das
Kapitel unpopulärer, kostspieliger Feldzüge in der Ferne. In den
syrischen Bürgerkrieg einzugreifen, dazu verspüren weder der
Staatschef noch seine Generäle die geringste Neigung, zumal sie nicht
wissen, was das für Rebellen sind, mit denen sie sich verbünden
sollen. Diese Skepsis verbindet sie mit der Mehrheit ihrer
Landsleute, die ebenso am Irak-Syndrom leiden wie die politische
Klasse. Briten oder Franzosen mögen Obama im Zugzwang sehen, in
Amerika ist das Stimmungsbild ein anderes. Nur: Obama selbst hat die
rote Linie gezogen, mit seinem eindeutigen Satz von den Konsequenzen,
die einem Giftgas-Einsatz zu folgen hätten. Will er sein Gesicht
wahren, muss er Druck machen. Wer hat sich chemischer Waffen bedient?
Assad oder die Aufständischen? Was bei Damaskus geschah, muss
gründlich untersucht werden, aber es darf nicht zur Farce werden, zu
einem Katz-und-Maus-Spiel mit UN-Inspektoren. Schon wegen des Satzes
von der roten Linie steht das Weiße Haus in der Pflicht. Worte müssen
etwas bedeuten, sonst verliert die Supermacht ihre Glaubwürdigkeit.
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