(ots) - Heroisch verzichten wir auf den gewohnten
Krimiabend, es geht schließlich um Deutschland. Wohl wird das Duell
zwischen Kanzlerin und Kandidat nicht aufregender als ein Bodensee-
"Tatort", doch schauen bis zu 20 Millionen Menschen zu -
Länderspiel-Werte. Tatsächlich wird dieses Wortgefecht zu einer Art
Endspiel. Denn Peer Steinbrück bleibt nur diese eine Chance, einen
übereindeutigen Wahlkampf zu drehen. Gerhard Schröder wäre dieser
Swing 2005 fast gelungen. 2009 dagegen richtete der Herausforderer -
wie hieß er noch? Ach ja, Steinmeier - rein gar nichts aus. Man muss
kein Politikverdrossener sein, um Öde zu befürchten. Die beiden
Duellanten sind sich inhaltlich erschreckend ähnlich, die Programme
wie zwei Cheeseburger auf Massengeschmack getrimmt. Den Rest haben
die Medien-Coaches erledigt: Jede Geste dürfte auf maximale
Umfrageverträglichkeit dressiert sein. Mit Wehmut denkt man an
Untiere wie Schröder, der charmant, frech, eiskalt eine
Liebeserklärung an die kleine tapfere Doris unterbrachte. Was das mit
Politik zu tun hat? Nichts. Eben deswegen kann es wahlentscheidend
sein. Unmöglich, dass Steinbrück den Dreh kriegt? Keineswegs. Aus den
bisherigen Merkel-Wahlkämpfen wissen wir, dass die Demoskopen die
gute Frau vorweg höher bewerteten, als sie am Wahltag tatsächlich
abschnitt. Hinzu kommt: Die fortschreitende Helmutkohlisierung der
Kanzlerin lässt selbst treueste Mutti-Fans verzweifeln. Zugleich hat
Steinbrück in den letzten Wochen zu einer fröhlich-losgelösten
Kampfstimmung gefunden. Im Fußball würde man sagen: Er spielt befreit
auf. Und aus Niedersachsen wissen wir schließlich, dass
selbstgerechte Siegeszuversicht hochriskant sein kann, weil die
Wähler das Spiel für gelaufen halten. Wer hatte damit gerechnet, dass
der junge, dynamische McAllister sein Ministerpräsidentenamt
verliert? Ein frühes Gefühl von Sicherheit ist wohl das
Gefährlichste, was den Merkelianern passieren kann. Peer Steinbrücks
größtes Problem ist seine TV-Präsenz. Er mag ein ironischer Plauderer
sein, ein Menschenfänger der Obama-Klasse ist er nicht. Immer umweht
ihn ein Hauch von Arroganz, gepaart mit angemufftem
Heinz-Erhardt-Witz. Sein letztes TV-Duell hat Steinbrück verloren,
das war 2005 gegen einen gewissen Jürgen Rüttgers, der nun wirklich
keine strahlende Kerze auf dem Kuchen des politischen Showgeschäfts
war. Und selbst wenn Steinbrück einen Supertag erwischt, bleibt die
Frage, ob das Format viel Spielraum zum Glänzen lässt. Vier
Moderatoren, ihrerseits auch in einer Schlauberger-Schlacht verkeilt,
90 Sekunden pro Antwort - da wird es ganz schön eng für
Kabinettstückchen. Gut möglich, dass ohnehin alle auf Stefan Raab
gucken. Der Scherzkeks nimmt dem Duell mindestens so viel
Aufmerksamkeit, wie er bringt. Darf der das überhaupt, fragen sich
die Ernsthaften im Lande? Warum denn nicht, entgegnen die Mutigen.
Vielleicht sorgt wenigstens Raab für ein wenig Überraschendes bei
diesem Festival des Berechenbaren. Letzte Frage: Womit könnte
Steinbrück überhaupt punkten? Mit einer politischen Liebeserklärung
an Angela Merkel, versehen mit dem nostalgischen Verweis auf
gemeinsame Schlachten, und dem Versprechen, ein artiger Vizekanzler
in einer großen Koalition sein zu wollen. Dann wüsste der Wähler
immerhin, was er bekommt für seine Stimme.
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