(ots) - Die Koalitionsspiele sind eröffnet. Auch wenn
die Protagonisten noch nicht an einem gemeinsamen Tisch Platz
genommen haben, schälen sich unverrückbare Positionen von Union und
SPD deutlich heraus. CSU-Chef Seehofer hat die bayerischen
Standpunkte zementiert: Sein Nein zu Steuererhöhungen hat er mit
einem persönlichen Ehrenwort verknüpft. Merkel schickt über ihre
Vertrauten ähnliche, wenn auch diplomatischer formulierte
Botschaften. Doch beiden geht es im Kern um die künftige
Glaubwürdigkeit der Union. Seehofer gibt dazu den harten Hund, Merkel
die über allem stehende Staatsfrau. Eine klare, offensichtlich
abgesprochene Rollenverteilung. Parallel zu diesem Szenario schraubt
die SPD ihren Preis in unermessliche Höhen: Sechs Minister (von 15)
und am besten das komplette SPD-Wahlprogramm werden von der
25,7-Prozent-Partei als Voraussetzung für ein Bündnis verkündet. An
dieser Maximalforderung lässt sich auch der entscheidende Unterschied
im aktuellen Machtpoker ablesen. Die Union ist - sicher mit Blick auf
die Bundesratsmehrheit der SPD - ernsthaft an einem Bündnis mit
Sigmar Gabriel und Co. interessiert. Bei der SPD herrschen dagegen
starke gegenläufige Strömungen. Teile der Führungsspitze würden gerne
koalieren, große Teile der Basis möchten die Parteispitze am liebsten
mit einem anderen Auftrag ausstatten: Einen Weg zu finden, wie man
der Union elegant eine Abfuhr erteilen und ihr gleichzeitig dafür die
Schuld in die Schuhe schieben kann. Schließlich will man unter keinen
Umständen Bürger verprellen, die sich bekanntlich mit Mehrheit sehr
wohl eine große Koalition wünschen. Hinter dem Sträuben der Genossen
steckt aber auch die handfeste Angst, von der Merkel-Union in einer
Koalition aufgefressen zu werden. Doch das Leben ist kein
Wunschkonzert. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind seit dem
22. September klar und diktieren die Bereitschaft zu Verhandlungen.
Die einzigen Alternativen - Neuwahlen oder eine geduldete
Minderheitsregierung Merkels - sind keine wirkliche Option. Wer sagt,
dass bei Neuwahlen nicht ein ähnliches Ergebnis herauskommt, mit dem
einzigen Unterschied, dass womöglich die "Alternative für
Deutschland" mit ihren kruden Thesen den Sprung ins Parlament
schafft? Auch eine hauchdünne absolute Mehrheit für die Union würde
nichts an den Kräfteverhältnissen im Bundesrat ändern. Eine
Minderheitsregierung mit geringen Handlungsspielräumen wäre wiederum
nur ein Aufschieben von Neuwahlen auf einen späteren Zeitpunkt. Es
führt also kein Weg daran vorbei: Union und SPD, danach vielleicht
Union und Grüne, müssen sich zusammensetzen und ernsthaft verhandeln.
Bei Seehofer kann man zwischen den Zeilen herauslesen, in welchen
Punkten er kompromissbereit ist. Beim Mindestlohn dürfte sich ein
gemeinsamer Nenner finden. Auch die Pkw-Maut für Ausländer ist nicht
in Stein gemeißelt, sofern trotzdem ein großer Batzen Geld für die
Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt wird. Bei höheren
Rentenansprüchen für Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, ist
man sich ohnehin im Grunde einig. Beim Betreuungsgeld könnte man sich
auf die Formel verständigen, dass die Regelung auf den Prüfstand
kommt, sofern sich Mitte der Legislatur die große Befürchtung der SPD
als wahr erweist: Dass Kinder Schaden nehmen, weil sie einzig
deswegen nicht in den Kindergarten geschickt werden, damit das
Familienbudget via Betreuungsgeld aufgebessert werden kann. Die
Kompromisslinien zwischen Union und SPD sind klar. Bleibt nur noch
die Frage, was die Parteien daran hindert, möglichst rasch zu einem
Ergebnis zu kommen. Auf Dauer nachvollziehbare Gründe sind es
jedenfalls nicht. Wähler werden jedes pure Taktieren mit feinem
Gespür registrieren. Sie werden Bremsern oder Falschspielern auf
beiden Seiten bei nächster Gelegenheit die Quittung erteilen.
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