(ots) - Nun also Merkels Handy. Die Aufregung, ja Empörung
ist groß in den deutschen Regierungsreihen. In der Tat ist es völlig
inakzeptabel, dass die amerikanischen Geheimdienste das Handy der
Regierungschefin eines befreundeten Staates abhören. Genauso wie es
völlig inakzeptabel ist, dass offenbar schon seit Langem der
Zahlungsverkehr, die Telefonverbindungen oder die Internetaktivitäten
Millionen Deutscher systematisch abgegriffen und ausgewertet werden.
Wir bewegen uns in großen Schritten auf die Realität eines totalen
Ãœberwachungsstaates zu, in dem jeder Internetkommentar festgehalten
und harmlose Telefongespräche aufgrund bestimmter Wortkombinationen
eine digitale Aktennotiz auslösen, die dann in irgendeiner britischen
oder US-amerikanischen Datenbank schlummern. Wer als Bürger
öffentlich gegen derartige Praktiken protestiert, kann Probleme
bekommen, wie der deutsche Schriftsteller und Verleger Ilija Trojanow
erfahren musste: Er durfte Ende September nicht in die USA einreisen,
als er dort einen Kongress besuchen wollte. Seitdem dank des
ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden die
Ãœberwachungsprogramme der NSA bekannt geworden sind, hat der deutsche
Staat praktisch nichts unternommen. Eher im Gegenteil: Innenminister
Hans-Peter Friedrich sprach von einem "Super-Grundrecht" auf
Sicherheit und stellte dabei das Grundrecht auf Freiheit hintenan.
Der Zweck heilige die Mittel, so der CSU-Politiker sinngemäß nach
einem Freundschaftsbesuch in den USA. Kurz danach stellte
Merkel-Vertrauter und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla unter
Berufung auf die NSA und im Schulterschluss mit den deutschen
Geheimdienstbehörden fest: "Die vermeintliche Totalausspähung ist vom
Tisch." Verharmlosen und Abwiegeln war monatelang die Devise der
Bundesregierung. Nun ist die Kanzlerin also (endlich) empört und
etliche Politiker von Regierung und Opposition in großer Zahl gleich
mit. Der Eindruck entsteht, dass die persönliche Betroffenheit der
Kanzlerin in Berlin ungleich bedeutender ist als die millionenfache
Beschädigung der Bürgerrechte aller Deutschen.
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