PresseKat - Ex-Botschafter Kornblum: Absage an Freihandelszone durch die EU wäre wirtschaftlicher 'Selbstm

Ex-Botschafter Kornblum: Absage an Freihandelszone durch die EU wäre wirtschaftlicher 'Selbstmord'

ID: 983677

(firmenpresse) - (DGAP-Media / 19.11.2013 / 13:53)

- US-Diplomat sieht deutsche Wirtschaft in wachsender Abhängigkeit vonÜbersee

- Hochrangige Expertenrunde diskutiert NSA-Skandal und Stand des
transatlantischen Verhältnisses

- Frank Schirrmacher: 'Die nächste Welle der Enthüllungen wird sich um
Industriespionage drehen'

Europa und die USA stehen mit dem geplanten Freihandelsabkommen vor einer
neuenÄra der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zugleich stehen die
transatlantischen Beziehungen durch die NSA-Affäre vor einer Zerreißprobe.
'Es geht in Wirklichkeit nicht um Handel. Wir stehen in
Weltanschauungs-Verhandlungen', konstatierte John Christian Kornblum,
ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, am Montag vor Unternehmern in
Hamburg. Der Diplomat riet Europa, die Verträge nicht an Fragen des
Datenschutzes scheitern zu lassen. 'Die Drohung mit einem Abbruch der
Verhandlung ist für mich wie Selbstverteidigung durch Selbstmord.'

Es sei nicht klug, einen Mann zum Helden zu machen, der in den USA wegen
eines Kapitalverbrechens gesucht wird, mahnte der Diplomat, der seine
Laufbahn als Vize-Konsul in Hamburg begonnen hatte. 'Amerika ist der
Mittelpunkt einer vernetzten Welt, in der sich die Spielregelnändern und
die Möglichkeiten der Politik schwinden', sagte Kornblum auf einer
Podiumsdiskussion der Mittelstandsinitiative Unternehmer Positionen Nord
der HSH Nordbank. Die transatlantische Partnerschaft sei schon lange nicht
mehr ausgewogen, bemerkte der Diplomat. 'Europa hat im Bereich Technologie
die vergangenen 20 Jahre verschlafen. Es hat mal Nixdorf gegeben, Nokia,
Infineon. Da ist nicht mehr vielübrig', sagte Kornblum, der sein
Heimatland hingegen vor einem Aufstieg zu neuer Größe sieht. 'Europa spielt
heute keine globale strategische Rolle mehr.'

Der polarisierenden Eröffnungsrede folgte eine leidenschaftliche Gegenrede




von Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
'Es geht nicht nur um die NSA - es geht auch um Amazon', betonte der
Publizist die Tragweite des Datenschutzskandals. 'Die großen
Technologiefirmen sind Supermächte, die im Informationszeitalter den
Treibstoff der Zukunft haben.' Schirrmacher forderte die Politik auf, den
Aufbau eigener Netzstrukturen in Europa entschieden voran zu treiben, um
sich als dritter Mitspieler in der Informationstechnologie zu etablieren.
'Es geht nicht um Antiamerikanismus. Wir stehen vor einem Kulturbruch',
mahnte Schirrmacher, der auch Interessen der deutschen Wirtschaft gefährdet
sieht: 'Die nächste Welle der Enthüllungen wird sich um Industriespionage
drehen.'

Die Angst vor einer amerikanischenÃœbermacht bezeichnete Professor Dr.
Heiner Flassbeck, ehemaliger Chefvolkswirt der UNO-Organisation für
Welthandel und Entwicklung (UNCTAD), hingegen fürübertrieben. 'Die
US-Wirtschaft hat sich noch immer nicht von der von ihr selbst verursachten
Finanzkrise erholt', beobachtet derÖkonom. Grund sei eine große
Ungleichheit in dem Land. 'Es ist zuüber 80 Prozent der Konsum, der die
Industrie am Laufen hält. Doch um konsumieren zu können, muss die Masse
Geld haben', argumentierte Flassbeck. Niedrige Löhne seien eine
strukturelle Fehlentwicklung der Weltwirtschaft. 'Deutschland ist mit
seinem hohen Exportanteil das am meisten gefährdete Land, wenn der globale
Handel nicht läuft.'

Auch Dr. Melinda Crane, politische Chefkorrespondentin von Deutsche Welle
TV', relativierte die Befürchtungen einer neuen Dominanz amerikanischer
Unternehmen auch aufgrund billiger Energie. 'Fracking wird in den USA zu
optimistisch gesehen', glaubt die Journalistin. 'Es ist teurer als gedacht.
Und niemand weiß, wie großdie Schiefergasreserven wirklich sind.' Zugleich
unterschätzten die Deutschen ihre eigenen Stärken, etwa was die Ausbildung
qualifizierter Mitarbeiter angehe. 'Für die Duale Ausbildung interessieren
sich viele US-Unternehmen.'

'Vor fünf Jahren waren hier noch alle der Meinung, dass man mit
Suchmaschinen kein Geld verdienen kann', erinnerte Rainer Schmückle, Chief
Operating Officer beim US-Konzern Johnson Controls. Der Erfolg etwa der
Autoindustrie habe die Deutschen satt gemacht, es fehle an Bereitschaft zum
unternehmerischen Risiko. 'Wir sind sehr ideologisch und planen sehr lange.
Manchmal zu lange', resümierte Schmückle. 'Die Amerikaner sind viel
pragmatischer!'

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