(ots) - Bei den gesetzlichen Krankenkassen stoßen Pläne der
Großen Koalition zum so genannten Hausarztmodell auf breite
Ablehnung. Das geht aus einer Umfrage des ARD-Politikmagazins "Report
Mainz" bei allen Ortskrankenkassen sowie Ersatz-, Betriebs- und
Innungskrankenkassen mit mehr als 500.000 Versicherten hervor. Danach
sind 22 von 26 Kassen, die an der Umfrage teilnahmen, gegen die
Koalitionsvereinbarung zur so genannten "hausarztzentrierten
Versorgung". Experten wie der Gesundheitsökonom Prof. Stefan Greß von
der Hochschule Fulda befürchten zudem erhebliche Mehrkosten von bis
zu einer halben Milliarde Euro pro Jahr.
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag beschlossen, die unter
der schwarz-gelben Regierung eingeführten Vergütungsbeschränkungen,
wonach die Honorare in der hausarztzentrierten Versorgung diejenigen
in der Regelversorgung nicht übersteigen sollten, wieder
abzuschaffen. Zudem sollen die Krankenkassen weiterhin gezwungen
bleiben, ihren Versicherten hausarztzentrierte Versorgung anzubieten.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verteidigte im
Interview mit "Report Mainz" die Pläne. Wörtlich sagte er:
"SPD-Position war immer, dass ein größerer Anteil des Gesamthonorars
an die Hausärzte gehen muss (...) Ich bin davon überzeugt, dass diese
Regelung den Hausärzten bundesweit hilft. Eine gute vorbeugende
Medizin und eine gute Behandlung der chronischen Erkrankung ist ohne
die Hausärzte nicht möglich. Man muss die Kassen verpflichten, Dinge
zu tun, die nachweislich den Patienten helfen."
Die so genannte hausarztzentrierte Versorgung (HzV), auch
Hausarzt-Modell genannt, ist jedoch seit Jahren umstritten. Der
Hausarzt soll dabei als eine Art Lotse im Gesundheitssystem dienen.
Die Patienten binden sich dabei für mindestens ein Jahr an ihren
Hausarzt und nehmen dabei Einschränkungen bei der freien Arztwahl in
Kauf. So sollen teure Doppeluntersuchungen und unnötige
Krankenhauseinweisungen verhindert werden. Seit 2009 sind die
gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten diese
Form der Versorgung anzubieten, und schließen dazu Verträge in der
Regel mit den Hausarztverbänden ab, in denen unter anderem die
Vergütung für die Hausärzte geregelt ist. Diese erzielen dabei
deutlich höhere Honorare als in der Regelversorgung. So berichtet die
DAK, in ihren Verträgen seien es bis zu 50 Prozent mehr.
Während etwa die AOK Baden-Württemberg Vorteile für die Patienten
durch eine von ihr finanzierte Studie belegt sieht, können laut
Umfrage von "Report Mainz" insgesamt 20 von 24 Kassen, die derzeit
HzV-Verträge abgeschlossen oder unterschriftsreif vorliegen haben,
keine Verbesserung der ärztlichen Versorgung feststellen oder
konkrete Ergebnisse vorlegen. Der Gesundheitsökonom Prof. Stefan
Greß, der zur Hausarztversorgung forscht und seit vielen Jahren vor
dem Hausarzt-Modell warnt, sagte im Interview mit "Report Mainz": "Es
gibt keine umfassenden Studien darüber, dass die Qualität der
Versorgung für die Patienten besser geworden ist. Unter den
derzeitigen Rahmenbedingungen halte ich das Modell der
hausarztzentrierten Versorgung insgesamt für gescheitert."
Weitere Informationen unter www.swr.de/report. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei. Fragen bitte an "Report Mainz",
Tel. 06131/929-33351.