(ots) - Das Thüringer Experiment taugt aus einem
offenkundigen Grund nicht als Blaupause für eine rot-rot-grüne
Koalition auf Bundesebene. In Erfurt will sich die SPD zum
Juniorpartner der SED-Nachfolger machen, in Berlin dagegen wäre die
Linke nur einer von zwei kleinen Partnern der SPD. Aus dem Erfolg
oder Misserfolg einer Regierung Ramelow Schlüsse auf mögliche
Bündnisse nach der Bundestagswahl 2017 zu ziehen, ist mindestens
gewagt. Wahrscheinlicher, weil realitätstauglicher scheint eine
andere Option. Unaufgeregt und effizient regiert Schwarz-Grün das
Flächenland Hessen. Die handelnden Personen passen zusammen, die
Probleme (Fluglärm und Flüchtlinge) sind pragmatisch lösbar. In
Zeiten der Bedrohung der Welt, Europas und Deutschlands durch den
»Islamischen Staat« (IS) stellt sich die Gemengelage auf Bundesebene
ungleich komplexer dar. Außenpolitisch können derzeit nur Union und
SPD Verantwortung tragen. Linke, Grüne und AfD scheiden aus. Was
sollte sich daran innerhalb der kommenden drei Jahre ändern? Dass
Katrin Göring-Eckardt einen Kampfeinsatz gegen die IS-Terroristen mit
Zustimmung des UN-Sicherheitsrates gutheißt, könnte man für Taktik
halten. Denn die Grünen-Fraktionsvorsitzende weiß genau: Ein
UN-Mandat würde mit höchster Wahrscheinlichkeit am Veto Russlands
scheitern. Insofern ist ihr Vorstoß frei von jedem politischen
Risiko. Zur dritten Regierung Merkel gehört das Festhalten am Status
Quo. Weil nicht klar ist, ob die Kanzlerin sich im September 2017
erneut zur Wiederwahl stellt, ist der Stillstand gewollt. Alle warten
- und einige laufen sich warm. Das Duell im Kabinett: Sigmar Gabriel
(SPD) gegen Ursula von der Leyen (CDU). Beide trauen sich den Job an
der Spitze zu, allerdings sind beide bei weitem nicht so beliebt wie
die Kanzlerin. Die Verteidigungsministerin hat ihr Amt als
Bewährungsprobe angetreten - für höhere Aufgaben. Für die SPD scheint
klar zu sein, dass die Gegnerin im September 2017 Ursula von der
Leyen heißen wird. Sonst nähmen Gabriel und Außenminister
Frank-Walter Steinmeier die umstrittene Verteidigungsministerin,
immerhin Kollegin im Kabinett, nicht so aufs Korn, als wäre die SPD
eine Oppositionspartei. Ob die Verteidigungsministerin den Sprung zur
Spitzenkandidatin der Union schaffen kann, hängt nicht nur von Angela
Merkels Lebensplanung ab. Die CSU dürfte das entscheidende Wort
haben. Sollte Parteichef Horst Seehofer zum Zeitpunkt der
Entscheidung noch im Amt und einigermaßen machtvoll sein, würde es
schwierig für die ehrgeizige Politikerin. Denn Seehofer weiß: Eine
weitere Große Koalition ist unter von der Leyen kaum vorstellbar.
Allerdings: Das war Schwarz-Rot unter Angela Merkel 2005 auch nicht.
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