(ots) - Jens Stoltenberg hat die wohl dunkelsten Stunden
seiner politischen Karriere erlebt, als er nach dem verheerenden
Attentat eines rechtsradikalen Verwirrten auf der Insel Utoya im
Angesicht der überlebenden Opfer und der Angehörigen der Getöteten
eine Rede halten musste. Eine Aufgabe, die so schwer ist wie die Rede
am Grab eines Kindes. Der norwegische Ministerpräsident überraschte
2011 die Welt mit den trotzigen Worten: "Noch sind wir geschockt,
aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet:
mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit." Was für Sätze,
was für Worte! Sie kommen in den Sinn, wenn wir Nachrichten wie die
von dem Attentat in Ottawa oder dem hanebüchenen Vorfall am Weißen
Haus hören, wo Attentäter offenbar durch Überrumpelungstaktik die
hochgerüsteten Sicherheitssysteme überwinden und Tod und Verderben
bringen wollen. Natürlich müssen sich nicht nur der amerikanische
Secret Service, sondern auch die kanadischen Sicherheitsdienste jetzt
höchst unangenehme Fragen gefallen lassen. Und sicherlich dürfen die
Bürger zivilisierter Staaten erwarten, dass Geheimdienste und Polizei
alles tun, um Amokläufe, Attentate und feige Anschläge aller Art zu
unterbinden. Aber es lässt sich eben nicht alles verhindern, schon
gar nicht ohne einen erheblichen Preis an gesellschaftlicher
Freiheit. Das aber ist die entscheidende Frage: Wollen wir, um der
vermeintlichen Sicherheit willen, unser ganzes Leben in einen Käfig
polizeilicher Maßnahmen sperren? Die Antwort von Jens Stoltenberg
sollten auch wir geben: Eine offene Gesellschaft ist verwundbar und
kann sich manchmal nur nachträglich wehren. Aber sie ist eine
menschliche Gesellschaft, und das ist es uns wert.
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