(ots) - Der Bürgerrechtler und Theologe Friedrich
Schorlemmer hat dafür plädiert, die DDR auch aus dem
Selbstverständnis ihrer Begründer her zu betrachten. Man könne
"diesen ,sozialistischen Staat' nur verstehen, wenn man ihn auch von
seinen Ursprüngen her als einen ,Versuch' begreift", sagte
Schorlemmer der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "neues
deutschland" (Dienstagausgabe). Die DDR war "im Selbstverständnis
derer, die sie begründet haben, ein Versuch, die Lehren aus der
deutschen Geschichte zu ziehen".
Schorlemmer sagte weiter, "die inneren Widersprüche dieses Landes
wurden zu groß". Da seien Menschen am Werk gewesen, "die Überzeugung
mit Linientreue verwechselten". Auch habe das politische Strafrecht
"natürlich in der DDR angst-treibend und disziplinierend" gewirkt.
Schorlemmer wandte sich dennoch gegen den Begriff "Unrechtsstaat".
Es habe im DDR-System "eine geregelte Kontrolle staatlicher Macht mit
rechtlich einklagbarer Revision staatlicher Entscheidungen" gefehlt,
so Schorlemmer. Es bestehe seiner Meinung nach "auch kein Grund, die
SED-Herrschaft wie das kommunistische Weltsystem unter
bolschewistischer Prägung nachträglich schönzureden. Aber es wäre
ungerecht, alles, was systembedingt oder gelebtes Leben in der DDR
war, einzuschwärzen, sowie jede positive Erinnerung als Ostalgie
abzutun. Man muss sagen, dass die DDR im politischen Bereich ein
Willkür- und Unrechtsstaat, eine Diktatur war, kann dies doch aber
nicht auf alle Lebensbereiche übertragen."
Der Theologe sagte mit Blick auf die Wende 1989, "dass dieser
hochgerüstete SED-Staat schließlich den Machtlöffel friedlich abgab,
muss nach 25 Jahren endlich anerkennend benannt werden".
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