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Einrichtungen wandeln stationäre Pflegeplätze in ambulante Pflege um / "Report Mainz", heute, 4. November 2014, um 21.45 Uhr im Ersten

ID: 1130584

(ots) - Pflegeheimbetreiber wandeln vermehrt stationäre
Pflege in ambulante Pflegeplätze um und verursachen dadurch nach
Einschätzung von Experten und Kassenvertretern enorme Zusatzkosten
für die Kranken- und Pflegekassen. Das berichtet das
ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 4. November, 21.45 Uhr im
Ersten).

Der Gesundheitsökonom Prof. Stefan Greß von der Hochschule Fulda
kritisiert das Vorgehen von Heimbetreibern im Interview mit "Report
Mainz" als "Missbrauch". Wörtlich sagte er: "Ich sehe diese Praxis
der Umwandlung von Heimplätzen in ambulante Plätze als
Etikettenschwindel, weil sich für die Bewohnerinnen und Bewohner
nichts ändert, aber gleichzeitig die Kosten steigen." Er rechne
sowohl für die Krankenkassen als auch für die Pflegekassen mit
zusätzlichen Ausgaben "jeweils im dreistelligen Millionenbereich".

Hintergrund ist, dass Heimbetreiber in ihren stationären
Einrichtungen bestehende Pflegezimmer zu Appartements umfunktionieren
und so ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen einzeln abrechnen
können. Fachleute sprechen dabei auch von "Ambulantisierung". So
können etwa die Pflege als ambulante Pflege und die Betreuung im
Gemeinschaftsraum als Tagespflege abgerechnet werden. Hinzu kommen
Leistungen der so genannten "häuslichen Krankenpflege", also etwa die
Medikamentengabe oder Wundversorgung, die von der Krankenkasse
bezahlt werden. In stationären Einrichtungen sind diese Leistungen
hingegen pauschal mit dem jeweiligen Pflegesatz abgegolten.

"Report Mainz" berichtet über den Pflegekonzern SeniVita gGmbH aus
Bayreuth, der die Umwandlung zur Unternehmensstrategie erklärt hat.
SeniVita hat nach eigenen Angaben inzwischen sechs seiner stationären
Alten- und Pflegeeinrichtungen ambulantisiert. Im Interview mit
"Report Mainz" sagt SeniVita-Geschäftsführer Horst Wiesent, mit




seinem Modell "Altenpflege 5.0" könne man "unwahrscheinlich
individuell die Pflegeleistung anbieten. Dadurch ist natürlich die
Selbstbestimmung ganz, ganz groß geschrieben."

In einer der betreffenden SeniVita-Einrichtungen schilderten
Pflegekräfte gegenüber "Report Mainz", dass trotz Wahlfreiheit alle
Bewohnerinnen und Bewohner den SeniVita eigenen ambulanten
Pflegedienst gewählt hätten, weil dies "aufgrund des Systems
praktisch sei". Bewohner und Angehörige berichten, es habe sich in
der Pflege und in den Abläufen de facto nichts geändert. Eine
Angehörige sagte wörtlich: "Der einzige Unterschied ist, dass man
jetzt ein Appartement gemietet hat, statt dass man in einem
Pflegezimmer lebt."

Die AOK Bayern sieht dieses Geschäftsmodell kritisch. Deren
Direktor für Grundsatzfragen, Harold Engel, sagte gegenüber "Report
Mainz": "Ich würde mal sagen, es ist eine Lösung, die sich nur
erschließt, wenn es um die Frage geht, ob man damit besser Geld
verdienen kann." "Report Mainz" liegt exklusiv ein internes Papier
der AOK Bayern vor. Demnach rechnet die Kasse auf Basis erster
Abrechnungen allein in den SeniVita-Einrichtungen in der
AOK-Direktion Bayreuth mit eigenen Mehrkosten von jährlich rund
400.000 Euro für die "häusliche Krankenpflege". Wörtlich heißt es:
"Diese Ausgaben entstehen allein durch die Umstellung von stationärer
Pflege auf die 'Altenpflege 5.0'".

SeniVita Geschäftsführer Wiesent räumt gegenüber "Report Mainz"
ein, dass das Modell für die Krankenkassen teurer werde. Für sein
Unternehmen halte er künftig Umsatzsteigerungen von 30 Prozent für
realistisch. Wegen eines erhöhten Aufwandes sei dies "legitim und
letztlich auch gut so."

Nach Recherchen von "Report Mainz" haben Pflegeheimbetreiber
bereits in sieben Bundesländern (Bayern, Nordrhein-Westfalen,
Thüringen, Bremen, Hamburg, Brandenburg und Niedersachsen) solche
"Ambulantisierungen" vorgenommen. Branchenkenner rechnen mit weiteren
Umwandlungen, zumal der Bundestag in dem jüngst verabschiedeten
Pflegestärkungsgesetz die ambulanten Leistungen weiter verbessert
hat. So kann ab 1. Januar 2015 die Tagespflege neben der ambulanten
Pflege zu 100 Prozent abgerechnet werden. Ziel der Politik ist es
dabei vor allem, die häusliche Pflege in den eigenen vier Wänden zu
stärken.

Das Bundesgesundheitsministerium teilte "Report Mainz" auf Anfrage
mit, es lägen ihm keine Angaben zu dem Ausmaß von Umwandlungen vor.
Jede Verbesserung von Sachleistungen der Pflegeversicherung könne zu
Umsatzsteigerungen bei den Leistungserbringern führen. Eine "Zunahme
der ambulanten Versorgung in Wohngruppen" führe indes "nicht zu einer
Kostenexplosion". Dem hält Gesundheitsökonom Prof. Greß entgegen:
"Ich befürchte, dass wir da noch am Anfang einer Entwicklung stehen,
dass die Pioniere, die das jetzt machen, anderen davon erzählen,
damit auch so eine Art Lawine ins Rollen bringen."

Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei. Pressekontakt: "Report Mainz",
Tel. 06131/929-33351.


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Datum: 04.11.2014 - 14:50 Uhr
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