PresseKat - Weser-Kurier: Kommentar von Joerg Helge Wagner zum Lokführer-Streik

Weser-Kurier: Kommentar von Joerg Helge Wagner zum Lokführer-Streik

ID: 1131433

(ots) - Deutschlands Staatsfeind Nr.1 heißt Claus Weselsky.
Ein sächselnder Schnurrbartträger eignet sich offenbar auch 25 Jahre
nach dem Mauerfall noch bestens für diese Rolle. Doch vieles an
diesem Bild ist schief, viele der bemühten Argumente sind gar keine.
So wird immer wieder mit Empörung betont, dass hier eine kleine
Gewerkschaft Millionen Menschen drangsaliere und millionenschwere
Schäden verursache. Dürfen denn nur Gewerkschaften mit mindestens
sechsstelliger Mitgliederzahl Arbeitskämpfe führen? Nein. Wären denn
die Zumutungen für Bahnkunden und die Risiken für die Wirtschaft
erträglicher, wenn die GdL eine halbe Million statt nur 34.000
Mitglieder hätte? Natürlich nicht. Auch der Umstand, dass es beim
Lokführer-Ausstand nicht bloß um Lohn, Urlaub oder Arbeitsschutz
geht, macht ihn nicht illegal. Bislang verbietet kein Gesetz den
Gewerkschaften, innerhalb einer Berufsgruppe um Mitglieder zu
konkurrieren. Es ist nicht Herr Weselsky, der geltendes Arbeitsrecht
nicht wahrhaben will. Die Bahn tut hingegen so, als habe das
Bundesarbeitsgericht 2010 die Tarifeinheit nicht verworfen, sondern
bestätigt. Freilich kennt sie die Tatsachen, deshalb zieht sie gegen
den Lokführerstreik ja auch nicht vor Gericht. Wenn ihr nun genau
dies von führenden Politikern empfohlen wird, zeigt das nur, was
deren sonstiges Gerede von Tarifautonomie ist: wohlfeil. Ja, es geht
auch um Macht - wie eigentlich in jedem Arbeitskampf. Auch das ist
keine Erfindung von Claus Weselsky. 1973 etwa setzte der damalige
IG-Metall-Bezirksleiter Franz Steinkühler für Akkordarbeiter eine
stündliche Pinkelpause von drei Minuten durch - nach einem
dreiwöchigen Streik. Damit hat sich auch die Frage beantwortet, ob
die viertägige Arbeitsniederlegung der Lokführer noch
"verhältnismäßig" sei: Ja, sie ist es - selbst wenn das inzwischen




sogar von prominenten Sozialdemokraten in Zweifel gezogen wird.
Weselsky hat erst überzogen, als er auch das Angebot einer
Schlichtung ablehnte - als ob die dann verpflichtende Waffenruhe im
Arbeitskampf schon eine Niederlage sei. Seiner Klientel - und das
sind die Bahnbeschäftigten, nicht die Bahnkunden - wird er das kaum
erklären können. Diese Auseinandersetzung ist entgleist. Das geplante
Tarifeinheitsgesetz aber wird auch dadurch nicht gerechtfertigt.
Besser wäre es, striktere Regeln für Streiks zu verabschieden, damit
Arbeitskämpfe nicht mehr so rasend schnell eskalieren können.



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Datum: 05.11.2014 - 20:37 Uhr
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