(ots) - Dieses Mal steckt in der Klausurtagung der CSU
in Wildbad Kreuth mehr als ein Ritual. Die bayerische Partei hat
Sorge, dass die Union Wähler und Stimmen an die AfD verlieren könnte
- wenn sie nicht auf die Stimmung in Teilen der Bevölkerung reagiert.
Im Gegensatz zu den anderen etablierten Parteien nimmt die CSU das
Phänomen »Pegida« an und grenzt sich von den Parolen der Dresdner
Bewegung nicht so klar ab wie die Kanzlerin. Als die CSU vor einem
Jahr den Slogan »Wer betrügt, der fliegt« von Kreuth ins Land rief,
konnte niemand absehen, dass der Sozialbetrug durch EU-Bürger aus
Rumänien und Bulgarien ein vergleichsweise kleines Problem für die
Städte ist - gemessen an dem, was als Folge aus dem Vormarsch des
»Islamischen Staats« (IS) auf die Kommunen zukommt. Weil die
Flüchtlinge aus Syrien und Irak Vorrang genießen sollen, Plätze zur
Unterbringung aber begrenzt sind, will die CSU Asylbewerber aus
sicheren Herkunftsländern schneller und konsequenter abschieben
lassen, als es bislang geschieht. Normalerweise gilt die CSU nicht
als Stadtpartei. In Bayern regiert die SPD in München, Nürnberg und
anderen Großstädten seit Jahrzehnten. Doch mit ihrem Vorstoß für eine
Verschärfung der Asylverfahren findet die CSU Zustimmung bei den
Kommunen. Sogar der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht von
»reinen Wirtschaftsflüchtlingen« und fordert die Länder auf, zügiger
abzuschieben. Die CSU ist eine populistische Regionalpartei, die
direkt auf das reagiert, was die Leute im Freistaat beschäftigt -
allerdings oft mit bundesweiten Folgen. Die Bayern ärgern sich, weil
sie in Österreich Maut zahlen müssen, die Nachbarn aber nicht bei
ihnen. Das Betreuungsgeld ist eine Forderung aus dem ländlich
strukturierten Raum und mag dort funktionieren. In Städten mit hohem
Migrantenanteil hält es vor allem bildungsferne Familien davon ab,
ihre Kinder so früh wie möglich in Kitas zu schicken. Dass allein die
CSU die Kanzlerin für ihre Worte in der Neujahrsansprache kritisiert,
gehört zum Kalkül innerhalb der Union. Der CDU-Chefin ist es mit
ihrer Anti-»Pegida«-Haltung gelungen, die AfD zu provozieren und vor
eine Zerreißprobe zu stellen. Längst hat die Bundeskanzlerin 2017 im
Blick. Will sie die Grünen als Koalitionspartner gewinnen, muss vor
allem die CSU in der Flüchtlingspolitik geschmeidiger werden. An der
CDU scheiterte ein Bündnis mit den Grünen jedenfalls nicht. An einer
knappen absoluten Mehrheit dürfte Merkel wenig Interesse haben. Ihr
fällt das Regieren in einer Koalition leichter als nur mit der CSU.
Denn die Bayern verstehen sich als letzte Bastion konservativer
Werte. Damit sind sie derzeit - obwohl Regierungspartei - die wahre
Opposition im Bundestag.
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Andreas Kolesch
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